Für den internationalen Frauen*kampftag wird zu einer bundesweiten Demonstration „Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism“ in Köln am 12. März aufgerufen: Das Jahr 2016 hat in vielen Städten Deutschlands mit Übergriffen auf Frauen* begonnen – auch in Köln. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen* ist in der Silvesternacht sichtbar geworden – unübersehbar in die öffentliche Debatte gezerrt. Wieso plötzlich das mediale Interesse? Die Thematisierung ist richtig und wichtig. Den Betroffenen der sexualisierten Übergriffe von Silvester – und aller sexualisierten Übergriffe, die alltäglich passieren – muss jegliche gewünschte Solidarität und Unterstützung zukommen. Es ging dabei jedoch nicht vorrangig um die Benennung sexualisierter Gewalt, sondern um die vermeintliche Herkunft der Täter – und das unverhohlen rassistisch: Im Verlauf wurde schnell nicht mehr über Sexismus gesprochen, sondern über die Verschärfung des Asylrechts, Abschottung und Abschiebung. Ein gängiges Fazit: Nicht der Sexismus in diesem Land sei das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten. Jedoch: Sexismus ist nicht nach Deutschland eingewandert, Sexismus ist hausgemacht. …
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Ebenfalls in Köln haben letzte Woche geflüchtete Frauen aus einer ‚Notunterkunft’ in einer Turnhalle in einem offenen Brief über sexualisierte Übergriffe und Gewalt durch das Wachpersonal des Turnhallen-Lagers berichtet. Der offene Brief wurde am Mittwoch während einer Demonstration vorgelesen und einem Vertreter der Kölner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übergeben.
Wenig verstanden und gelernt zu haben schienen Polizei und Stadt Köln: Die Polizei reagierte zwar umgehend, führte aber einen „groß angelegten Polizeieinsatz“ in dem Lager durch, um die Beschuldigungen zu untersuchen und fand bei den Befragungen durch ausschließlich männliche Beamte – und auch noch in Anwesenheit des belasteten Sicherheitspersonals, zunächst (selbstverständlich, lässt sich nur sagen) keine Frau, die zu einer Aussage oder Anzeige bereit war. Für die Stadt Köln Grund genug, in einer Stellungnahme zu dem offenen Brief davon zu reden, sie begrüße die „umfassende Aufklärung durch die Polizei“, aber gleichzeitig und ausführlich sämtliche Vorwürfe von sich zu weisen. Gilt die Thematisierung sexualisierter Gewalt nur als glaubwürdig, wenn sie sich politisch zur massiven Verschärfung des Asylrechts verwerten lässt – also nicht die Thematisierung durch geflüchtete Frauen*? Mittlerweile haben sich jedoch bei einem etwas „sensibleren“ weiteren Einsatz bei den – dieses Mal überwiegend weiblichen – Ermittler_innen erste betroffene Frauen gemeldet und Anzeige erstattet. Für die Flüchtlingsfrauen wird es nicht einfach werden, sich gegen den oft in solchen Fällen dominierenden „Verleugnungsapparat“ zu behaupten.
Unterdessen führte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, in einem Interview aus, was nach jahrelangen Protesten selbstorganisierter geflüchteter Frauen* und Aktivist_innen längst klar gewesen sein sollte (auch wenn es die Verantwortlichen möglichst nicht hören wollen): Es sei davon auszugehen, dass es in jeder Flüchtlingsunterkunft bundesweit solche Übergriffe auf Frauen, Kinder und Jugendliche gebe. Und sie werden angesichts der katastrophalen Zustände in den momentanen Notfall-Lagern mit Sicherheit häufiger – erst kürzlich war über die Belästigung einer Flüchtlingsfrau durch einen Security-Angehörigen und einen Rotes-Kreuz-Beschäftigten in einer Notunterkunft in Wülfrath berichtet worden. Aber schon Anfang 2009 hatte beispielsweise eine Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Bayern anlässlich eines Vergewaltigungsverfahrens gegen einen ehemaligen Hausmeister eines Flüchtlingslagers in Nürnberg auf den Zusammenhang zwischen (fremdbestimmter) Lagerunterbringung und sexualisierten Übergriffen hingewiesen: „Grundsätzlich fordern wir aber die Abschaffung des Lagersystems, das durch ein großes Machtgefälle zwischen Personal und Bewohnern die sexuelle Ausbeutung und andere Arten von Mißbrauch erst ermöglicht.“
Deshalb: Keine Lager für Frauen*! Alle Lager abschaffen! Werdet aktiv und beteiligt euch – unter anderem – an der Frauen*tagsdemonstration am 12. März in Köln.