China: erstes Gewaltschutzgesetz

Das erste Gesetz zum Schutz vor Gewalt in Paarbeziehungen in China ist heute in Kraft getreten. Einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom Herbst letzten Jahres zufolge ist das neue Gesetz im Wesentlichen dem Druck chinesischer Nichtregierungsorganisationen und einer UN-Veranstaltung zu verdanken. Nach der UN-Weltfrauenkonferenz und dem parallelen NGO-Forum 1995 in Peking waren in China Nichtregierungsorganisationen entstanden, die sich um Gewaltopfer kümmern und nach und nach den Druck auf die Politik erhöhten, so dass die Zentralregierung nun reagieren musste. Auch wollte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 20 Jahre nach der UN-Konferenz bei einer Veranstaltung der UN-Organisation für Gleichstellung (UN Women) im September 2015 wohl nicht mit leeren Händen dastehen und hatte wohl deshalb den Gesetzentwurf im Gepäck.1Matthias Müller: Häusliche Gewalt in China. Die Chinesinnen begehren auf. Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2015; http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/chinas-frauen-begehren-auf-1.18622901.

Zu einem Umdenken hat auch die Geschichte von Li Yan beigetragen, die im November 2010 für viel Aufsehen gesorgt hatte, als sie sich nach monatelanger Gewalt in der Ehe gegen ihren Mann auflehnte und mit einem Luftgewehr „Tyrannenmord“ beging. Die Todesstrafe, zu der Li dann wegen des Mordes an ihrem Ehemann verurteilt wurde, stieß in der Öffentlichkeit auf Empörung. Chinesische Feministinnen* und Angehörige des Volkskongresses unterstützten Li Yan und in einer Petition wurde zur Verhinderung der Exekution aufgerufen. Mehr als 100 Anwält*innen machten Eingaben beim Obersten Gerichtshof. Die Strafe wurde schließlich in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.2Annette Langer: Misshandelte Frau in China: Todesstrafe für Notwehr. Spiegel Online, 31.01.2013; http://www.spiegel.de/panorama/justiz/haeusliche-gewalt-in-china-li-yan-soll-hingerichtet-werden-a-880766.html. Didi Kirsten Tatlow: China, in Suspending Woman’s Death Sentence, Acknowledges Domestic Abuse. New York Times, 24. April 2015; http://www.nytimes.com/2015/04/25/world/asia/china-suspends-death-sentence-for-li-yan.html.

Auch Opfer in „Ehen ohne Trauschein“ sollen Schutz erhalten, aber gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften seien nicht in das neue Gesetz eingeschlossen, berichtet dieStandard. In China soll jede vierte verheiratete Frau im Alter zwischen 24 und 60 Jahren in ihrer Partnerschaft Gewaltopfer sein. Andere Expert*innen gehen davon aus, dass es ein Stadt-Land-Gefälle gibt und kommen zu höheren Ergebnissen: In den Städten soll ein Drittel aller Frauen unter physischer oder psychischer Gewalt leiden, auf dem Land könnte der Anteil sogar bei zwei Dritteln liegen. Solche Zahlen lassen sich natürlich nicht lediglich durch Gesetzesvorschriften senken. So ergab 2014 eine EU-weite Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, dass jede dritte befragte Frau (33 Prozent) seit ihrem 15. Lebensjahr schon einmal körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren hatte: Trotz Gesetzen zu geschlechtsbezogener Gewalt ist in den EU-Ländern der Anteil hoch geblieben.3Johnny Erling: Erstes Gesetz gegen häusliche Gewalt in China. dieStandard.at, 01.03.2016; http://derstandard.at/2000031996952-1192182008594/Chinas-Frauen-Neues-Gewaltschutzgesetz-neue-Repressionen-gegen-NGOs. Matthias Müller , a.a.O. BIG e.V.: Neue EU-weite Studie. Jede dritte Frau in Europa ist von Gewalt betroffen. BIG e.V., 03/2014; http://www.big-berlin.info/news/524.

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