Seit September 2007 müssen nachziehende Ehegatt_innen aus den meisten Nicht-EU-Ländern deutsche Sprachkenntnisse nachweisen, bevor sie zu ihren Partner_innen ziehen können. Damals wurde – mittlerweile beinahe die Regel, wenn Möglichkeiten eingeschränkt werden sollen – mit den „Frauenrechten“ (hier mit der drohenden Zwangsverheiratung) der ‚nicht abstammungsdeutschen’ anderen Frau argumentiert.
Noch Mitte letzten Jahres hatte die Bundesregierung entgegen einer Stellungnahme der Europäischen Kommission behauptet, die Sprachprüfung vor der Einreise sei mit der europäischen Richtlinie zur Familienzusammenführung und damit mit Europarecht vereinbar. Anschließenden Zweifeln des Bundesverwaltungsgerichts war das Auswärtige Amt zuvorgekommen, indem es einer Frau aus Kamerun als Klägerin in einem entsprechenden Verfahren und ihren Kindern ohne Sprachnachweis Visa erteilte. Dem Gericht blieb damit nur die Kostenentscheidung. In dem Beschluss von Ende Oktober 2011 hielt das Bundesverwaltungsgericht dennoch fest, dass die Frage der Vereinbarkeit „dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung hätte vorgelegt werden müssen“.
Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin nun umgesetzt und einer Pressemitteilung zufolge dem Gerichtshof in Luxemburg zwei Fragen zur Prüfung weitergeleitet. Sollte der Europäische Gerichtshof nun nicht nur erste Frage – die eine Vereinbarkeit mit dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei betrifft – sondern auch die zweite Frage zur europäischen Familienzusammenführungsrichtlinie beantworten, könnte die Regelung erfreulicherweise endgültig kippen.
Der liegt nämlich ohnehin eher als alles andere die Annahme einer Kernfamilie mit geschlechtsrollenkonformer Festlegung der „Erziehungsaufgabe“ zugrunde, wobei die Fähigkeit zu deren Bewältigung vorbeugend im Herkunftsland nachgeprüft werden muss. Wer aber hier einen Sprachkurs will, bleibt häufig davon ausgeschlossen: „Integrieren“ sollen sich ja nicht alle. Die Geflüchteten, die mit einem Marsch nach Berlin gegen ihre Lebensbedingungen demonstrierten und dort nun weiter protestieren, fordern daher unter anderem die Einführung eines Anspruchs auf Deutschkurse ab dem ersten Tag.
Keine Nation. Bewegungsfreiheit. Für Alle.