Frankreich und Tunesien: die Näherinnen von Yssingeaux und Sfax

Die Firma Lejaby hat die letzte Unterwäschefabrik in Frankreich geschlossen. Der Druck der Näherinnen in Yssingeaux in der Auvergne, die im Januar letzten Jahres aus Protest gegen die geplante Verlagerung nach Tunesien die Fabrik besetzten und mit Unterstützung der Gewerkschaft CGT mehrere Demonstrationen organisierten, war dennoch erfolgreich. Ihre Arbeitsplätze bleiben erhalten. Vor dem Hintergrund des Wahlkampfs in Frankreich wurde der Kampf der Frauen, die meisten mittleren Alters und seit Jahrzehnten bei Lejaby beschäftigt, zum Symbol: Frankreich fürchtet um das Fortbestehen seiner Industrie.

Das Land ist der OECD zufolge mittlerweile einer der am wenigsten industrialisierten Staaten Europas. Vor dreißig Jahren befanden sich ungefähr 23 % der französischen Arbeitsplätze in der Industrie, heute sind es noch 12 %. Staatspräsident und Präsidentschaftskandidat Sarkozy geriet unter Zugzwang und versprach, er werde eine Lösung finden. Und auch wenn die Näherinnen von Yssingeaux die Verlagerung nach Tunesien nicht verhindern konnten, werden sie nun an neuen Maschinen angelernt. Ein Unternehmer aus der Region wurde gefunden, der zwar keine Seide und Spitzen verarbeitet, sondern Lederwaren für den Luxuswaren-Konzern LVMH liefert. LVMH wiederum gehört Sarkozy-Freund Bernard Arnault. „Wir haben hart gekämpft, es war unser Sieg, nicht seiner“, sagt allerdings Bernardette Pessemesse, 57 Jahre alt, über Sarkozy. „Frankreich und Tunesien: die Näherinnen von Yssingeaux und Sfax“ weiterlesen

Ein wenig zu den Parlamentswahlen in Ägypten — wenige Frauen, aber wie wenige?

„Die Aktivistin Hegab kann dem Wahlergebnis auch etwas Positives abgewinnen. Nun würden die wahren Konturen der ägyptischen Gesellschaft sichtbar: ‚Früher wurde alles totgeschwiegen, jetzt kann man die Probleme an der Wurzel packen.’“1Raimon Klein: Ägyptische Frauen ein Jahr nach der Revolution: „Wir waren so naiv“. Süddeutsche Zeitung, 25.01.2012, http://www.sueddeutsche.de/politik/aegyptische-frauen-ein-jahr-nach-der-revolution-wir-waren-so-naiv-1.1266625. Das Ergebnis der Parlamentswahlen in Ägypten beurteilt die Studentin und Bloggerin Salma Hegab in der Süddeutschen Zeitung pragmatisch, auch wenn die dort angegebene Zahl von fünf weiblichen Abgeordneten sicherlich zu niedrig ist. Es scheint jedoch ein allgemeines Problem gewesen zu sein, die wenigen im neu gewählten Parlament vertretenen Frauen zu zählen.

Abgesehen davon, dass im Parlament mit seinen 508 Sitzen zwei Frauen zu den zehn Abgeordneten gehören, die vom regierenden Militärrat direkt bestimmt wurden, differieren die Zahlen der weiblichen Parlamentsmitglieder: zwölf (Amnesty International), elf (Quota Project), zehn (taz, Ahram Online, Daily News Egypt), neun (BBC, Democratizing the New Egypt).2Amnesty International: Ägypten: Frauenrechte schützen, http://action.amnesty.de/l/ger/p/dia/action/public/?action_KEY=8448&d=1; Quota Project. Global Database of Quotas for Women: Egypt, http://www.quotaproject.org/uid/countryview.cfm?country=69; Karim El-Gawhary: Neues Parlament in Ägypten. Kleine Turbulenzen bei erster Sitzung. Die tageszeitung, 23.01.2012, http://www.taz.de/!86221/; Hania Sholkamy: Egypt’s women missing from formal politics. Ahram Online, 22.01.2012, http://english.ahram.org.eg/NewsContentP/4/32349/Opinion/Egypts-women-missing-from-formal-politics.aspx; Heather Moore: Experts weigh in on low female representation in parliament. Daily News Egypt, 27.01.2012, http://www.thedailynewsegypt.com/egypt-elections-2011/experts-weigh-in-on-low-female-representation-in-parliament-dp1.html; Sue Lloyd-Roberts: Has the revolution betrayed the women of Egypt? BBC, 13.02.2012, http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/newsnight/9695850.stm; Names of women in Egyptian Parliament, Democratizing the New Egypt, 03.02.2012, http://democratizingegypt.blogspot.com/2012/02/names-of-women-in-egyptian-parliament.html. Der abgeschafften Frauenquote trauern die von der Süddeutschen Zeitung interviewten Frauen allerdings nicht nach: Die Quoten-Plätze seien früher ausschließlich an Mubarak-Anhänger_innen gegangen.

Der Militärrat scheint nach beständigen Rücktrittsforderungen zurzeit darauf zu setzen, auf alte Rezepte zurückzugreifen: Außer den beiden ernannten weiblichen Parlamentsmitgliedern wurde der National Council of Women, der Nationale Frauenrat, wiederbelebt, dessen frühere Vorsitzende Suzanne Mubarak war und der auch als Instrument und „PR-Aktion“ des Regimes betrachtet wurde. Vor einem Jahr hatten mehrere Frauenorganisationen (vergeblich) die Auflösung des Frauenrats gefordert.3Mohamed Abdel Salam: Egypt’s new women’s council elects board, new chief. Bikya Masr, 21.02.2012, http://bikyamasr.com/57950/egypts-new-womens-council-elects-board-new-chief/; Coalition of Women’s NGOs in Egypt: National Council of Women Doesn‘t Represent Egyptian Women. Call for Rapid Dissolution. 24.02.2011, http://www.en.nazra.org/en/2011/02/call-rapid-dissolution-national-council-women. „Ein wenig zu den Parlamentswahlen in Ägypten — wenige Frauen, aber wie wenige?“ weiterlesen

Frankreich: Verwarnungen und Verurteilungen wegen Verschleierung

Der französische Innenminister Claude Guéant erklärte Mittwoch letzter Woche in der Nationalversammlung in Paris, seit dem Inkrafttreten der hier häufig als „Burka-Verbot“ bezeichneten Verbannung verschleierter Frauen aus dem öffentlichen Raum im April letzten Jahres seien 289 Kontrollen durchgeführt, 240 Verwarnungen ausgesprochen und sieben Frauen gerichtlich verurteilt worden.

Auch habe sich die Zahl der früher etwa 2.000 Frauen, die sich vollständig verschleierten, mittlerweile um die Hälfte verringert. Eine Quelle für diese Zählungen wurde allerdings nicht angegeben und noch Mitte 2009 war das Innenministerium selbst von insgesamt unter 400 verschleierten Frauen ausgegangen. „Frankreich: Verwarnungen und Verurteilungen wegen Verschleierung“ weiterlesen

Ägypten: Tausende von Frauen demonstrieren

Tausende von Frauen* protestierten letzte Woche Dienstag in Kairo gegen die Gewalt des Militärs gegen Demonstrantinnen*. Verschiedene Quellen sprechen von etwa 10.000 und der New York Times zufolge wurde der Protest als „die größte Frauendemonstration der modernen ägyptischen Geschichte“ und „bedeutendste“ seit einer Demonstration 1919 gegen den britischen Kolonialismus, die den Beginn weiblichen Aktivismus in Ägypten markierte, bezeichnet.

Auslöser der Proteste war insbesondere ein Video, auf dem von Soldaten auf eine junge Frau eingeschlagen, sie halb entkleidet und über den Boden geschleift wird. Das Militär hatte in einem offenbaren Versuch, die Protestierenden zu beruhigen, eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es sein „tiefes Bedauern“ ausdrückte, aber Aktivistinnen* sagten, ein „Bedauern“ sei keine Entschuldigung, und verurteilten zudem die Frage eines Militärsprechers, warum Frauen überhaupt auf den Straßen gewesen seien. „Ägypten: Tausende von Frauen demonstrieren“ weiterlesen

Frauen in Ägypten

Während in Ägypten Parlamentswahlen stattfinden und sich die Proteste auf dem Tahrir-Platz fortsetzen, wurde in Kairo die Gerichtsentscheidung über die Klage einer Demonstrantin, die im März zu einem „Jungfräulichkeitstest“ gezwungen wurde, auf Ende Dezember verschoben. Samira Ibrahim, die als bisher einzige der am 9. März festgenommen Frauen gegen das Militär klagt und gestern auf ein Urteil hoffte, muss nun einen weiteren Monat warten. Ein ägyptischer General hatte bereits im Mai die Durchführung der „Jungfräulichkeitstests“ eingeräumt und das Vorgehen zu rechtfertigen versucht, indem er erklärte: „Wir wollten nicht, dass sie hinterher sagen, wir hätten sie sexuell belästigt oder vergewaltigt.“

Mona el-Tahawy, amerikanisch-ägyptische Journalistin mit Doppelpass, berichtete Donnerstag letzter Woche über Prügel und den „schlimmsten sexuellen Übergriff“, den sie jemals erlebt habe, nachdem sie zwölf Stunden im Innenministerium von der ägyptischen Polizei festgehalten worden war. Sie veröffentlichte auch ein Bild von sich mit bandagierten Armen, da sich bei einer Röntgenuntersuchung danach herausstellte, dass ihr linker Arm und ihre rechte Hand gebrochen sind. Sie habe allerdings aufgrund ihrer doppelten Staatsbürgerschaft Glück gehabt, meinte sie, und sei im Gegensatz zu vielen anderen Ägypter_innen einfacher davongekommen. „Frauen in Ägypten“ weiterlesen

Saudi-Arabien: Frauenwahlrecht ist nicht genug

Frauen in Saudi-Arabien sollen in Zukunft das aktive und passive Wahlrecht ausüben können, kündigte der saudische König Abdullah am Sonntag in einer Rede in Riad an. Erhalten sollen sie das Wahlrecht jedoch erst von 2015 an. „Warum nicht morgen?“, fragte die saudische Feministin Wajeha al-Huwaidar mit Verweis darauf, dass es immer noch nicht gelänge, „einfachen Frauenrechten“ zu genügen. Die nächste Kommunalwahl in Saudi-Arabien findet tatsächlich diesen Donnerstag statt. Die Frauen bleiben davon ausgeschlossen.

Zudem gibt es in Saudi-Arabien lediglich Kommunalwahlen und die erste Wahl überhaupt wurde 2005 abgehalten, um die Hälfte der Mitglieder der Stadträte zu bestimmen. Die andere Hälfte wurde weiterhin eingesetzt und 2009 waren die Mandate schließlich um zwei Jahre verlängert worden. So beurteilten auch andere Frauen das Zugeständnis als nicht weitreichend genug. „Wir wollten keine Politik, wir wollten unsere Grundrechte. Wir haben gefordert, dass wir als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen behandelt werden und die männliche Vormundschaft über uns aufgehoben wird“, sagte die Aktivistin Maha al-Qahtani, die sich wie andere vor kurzem an einer Kampagne beteiligte, mit der Frauen dagegen protestieren, in Saudi-Arabien nicht Auto fahren zu dürfen. „Saudi-Arabien: Frauenwahlrecht ist nicht genug“ weiterlesen