Alles normal?

Nachdem eine schwangere Frau im März in der Dortmunder Nordstadt bei der Durchsuchung einer Shisha-Bar von einem ranghohen Polizisten misshandelt und bedroht worden war, sind die Ermittlungen nun eingestellt worden. Das hat Dortmunds Staatsanwaltschaft Anfang August bestätigt.

Über eine App, die mit den Überwachungskameras in der Shisha-Bar verbunden ist, konnte die schwangere Ehefrau des Betreibers im März die polizeiliche Razzia von der Wohnung aus verfolgen. Als sie sah, wie ein Polizist die Kasse öffnete, ging sie schließlich in den Laden. „Nach einer kleinen Rangelei beginnt das, was die Frau einen Albtraum nennt“, berichtete damals der WDR. „Ein offensichtlich ranghoher Beamter folgt ihr in den Hinterhof. Draußen, so sagt sie, würgt sie der Beamte und schlägt ihr mit der Faust ins Gesicht. Ein Arzt stellt später eine Kiefergelenksprellung mit Verdacht auf einen Bruch und eine Jochbeinprellung fest. Der Vorgang wird dokumentiert.“

Von einem Nachbarn wurde der Übergriff mit dem Handy aufgenommen. Zu sehen war im Dunklen wenig, aber die Drohungen waren deutlich zu hören. Wörtlich hieß es im Handyvideo: „So, das ist tätlicher Widerstand, da geht’s in Bau jetzt für. Dann kannste die Schwangerschaft im Gefängnis machen. … Hast du mich verstanden? Ein Mucks, dann hau ich dir ein Paar ins Gesicht, dass du deine Zähne aufsammeln kannst.“ Die Schwangere hatte außerdem erzählt, dass sie den Polizisten nach seinem Angriff gefragt habe, ob er eine deutsche Frau auch so behandelt hätte. Daraufhin habe der Polizist gegrinst und gesagt: „Natürlich nicht.“

Das Verfahren gegen den Polizisten wurde laut Staatsanwaltschaft nun wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt. Die schwangere Frau sei aggressiv gewesen, somit könne man das Handeln des Polizisten mit Notwehr rechtfertigen. Auch die brutalen Drohungen sollen tatsächlich der Notwehr des Polizeibeamten gedient haben.

Wissenschaftler*innen an der Ruhr-Universität Bochum gehen übrigens davon aus, dass es jährlich mindestens 12.000 Fälle rechtswidriger polizeilicher Gewaltanwendung gibt – fünfmal so viele Fälle wie angezeigt. Diese Hochrechnung basiert auf der bislang umfangreichsten systematischen Untersuchung zu Polizeigewalt in Deutschland. Den Forschungsergebnissen zufolge werden allerdings auch angezeigte Vorfälle selten strafrechtlich verfolgt: Bei weniger als zwei Prozent kommt es zu einem Gerichtsverfahren, während im Vergleich bei der Gesamtzahl aller Straftaten die Staatsanwaltschaft durchschnittlich in ungefähr zwanzig Prozent der Fälle Anklage erhebt.

Für die gewaltbetroffene Frau ist es aber sicher ein schwacher Trost, dass sie mit der Situation nicht allein ist, und ihre Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens ist bereits eingelegt. Nur sind offizielle Stellen leider wenig lernfähig, wenn es um das bedenkenlose Hinwegsehen über Rassismus (oder Sexismus) und gewaltvolles Agieren bei Polizei und anderen Behörden geht – da gilt Draufschlagen wie in diesem Fall dann als angemessen. Eben vollkommen normal, solches Macker-Macht-Polizeiverhalten.

Quellen:
Christof Voigt: Schwere Vorwürfe gegen Dortmunder Polizei, WDR, 10.04.2019, https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/schwere-vorwuerfe-gegen-dortmunder-polizisten-100.html; WDR: Polizeigewalt bei Einsatz in Sisha-Bar: Verfahren eingestellt, WDR, 02.08.2019, https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/polizeigewalt-shisha-bar-dortmund-100.html; Bastian Pietsch/Patricia Friedek: Schläge gegen Schwangere gerechtfertigt: Verfahren gegen Polizisten eingestellt, Ruhr Nachrichten, 02.08.2019, https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/verfahren-gegen-polizist-eingestellt-schlaege-gegen-schwangere-waren-gerechtfertigt-1433942.html; KVIAPOL: Zwischenbericht zum Stand des Forschungsprojekts KviA-Pol, Bochum, 29.07.2019, https://kviapol.rub.de/index.php/inhalte/zwischenbericht; ZEIT ONLINE, dpa, dp: Polizeigewalt: 12.000 Verdachtsfälle illegaler Polizeigewalt pro Jahr, Zeit online, 27.07.2019, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-07/polizeigewalt-studie-ruhr-universitaet-bochum-kriminologen-verfahren.

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