Kenia: Tränengas gegen Demonstrierende gegen Femizide

Frauen* aus allen Stadtteilen, aller Religionen und aller Einkommensgruppen (und ein paar solidarische Männer*) seien gekommen, die „Women’s Lives Matter“ riefen, berichtete
eine ZDF-Journalistin1Josefine Rein: Kenia: Tödliches Pflaster für Frauen, zdf, 14.12.2024, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/femizide-kenia-proteste-100.html. über die Proteste in Kenias Hauptstadt Nairobi letzte Woche. Die Demonstration am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, fand innerhalb einer am 25. November begonnenen 16-tägigen Kampagne gegen geschlechtsbezogene Gewalt statt. Nachdem die Kenya National Commission on Human Rights (KNCHR) im November bekannt gegeben hatten, in den letzten drei Monaten seien fast 100 Frauen* ermordet worden, war zu den Aktionen aufgerufen worden.

Die Polizei setzte massiv Tränengas ein, um die Demonstrant*innen auseinanderzutreiben, und schoss nach einer Quelle ebenfalls mit scharfer Munition.2epd: Kenia: Polizei greift Demo gegen Gewalt gegen Frauen massiv an, welt-sichten, 10.10.2014, https://www.welt-sichten.org/nachrichten/43419. Hochgerüstete Einheiten nahmen im Central Business District in Nairobis Innenstadt mehrere der Protestierenden fest, die der Regierung vorwarfen, sie sei „Teil des Problems“, wie es eine Teilnehmerin formulierte.3Rose Troup Buchanan/AFP: Kenyan police tear-gas peaceful anti-femicide march, Modern Ghana, 10.12.2024, https://www.modernghana.com/news/1364594/kenyan-police-tear-gas-peaceful-anti-femicide-marc.html Staat und Gerichte sähen den Morden tatenlos zu, hieß es, und gerade deshalb begehrten die Aktivist*innen auf.

Kenianische Polzei greift Protestierende an
Demonstrierende in Nairobi flüchten vor Tränengaswolken
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Iran: Proteste nach Tod wegen „einigen Haarsträhnen“

Der Tod der 22-jährigen Mahsa (Zhina) Amini nach einer Festnahme durch die Sittenpolizei hat im Iran in mehreren Städten, unter anderem in Teheran und ihrer Heimatstadt Saqqez, wütende Proteste ausgelöst. Nach einem im Internet verbreiteten Video demonstrierten Frauen* nach der Beerdigung in Saqqez im iranischen Kurdistan, indem sie ihre Kopftücher in der Luft schwenkten und „Tod dem Diktator“ riefen.


Mahsa Amini war letzten Dienstag während einem Verwandtenbesuch in Teheran wegen Nichtbeachtung der Kleidungsvorschriften von der Polizei festgenommen worden – der Hidschab soll verutscht gewesen sein und einige Haarsträhnen sollen zu sehen gewesen sein – und in Polizeigewahrsam gebracht worden. Nach ihrer Festnahme soll ihr auf den Kopf geschlagen worden sein, was zu einer Hirnblutung geführt habe. (Die Sittenpolizei spricht von Herzversagen und will keine Gewalt angewendet haben, aber die Familie hat Behauptungen einer Vorerkrankung von offizieller Seite zurückgewiesen – und Mahsa Amini ist unter Zwang auf die Wache geschafft worden).

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„Diese Gleichgültigkeit ist unser Hauptproblem“

Jelena Osipova (Елена Осипова – der Name findet sich auch in den Transliterationen Yelena/Elena Ossipowa), 76 Jahre alt und Kunstpädagogin im Ruhestand im russischen Sankt Petersburg, protestiert mit ihren kreativen Plakaten weiterhin (nicht nur) gegen den Ukrainekrieg.
Ihr persönliches Engagement begann vor ungefähr 20 Jahren durch den Tschetschenienkrieg, die Geiselnahme im Dubrowka-Theater in Moskau 2002 sowie später die Geiselnahme von Beslan 2004, die beide mit hohen Opferzahlen endeten. Seit zwei Jahrzehnten macht sie damit ihre Überzeugungen öffentlich. Nachdem damals ein Betäubungsgas in das Moskauer Theater geleitet und der Saal gestürmt worden war, schrieb sie auf Plakatkarton „Herr Präsident, ändern Sie sofort den Kurs“ und stellte sich zum ersten Mal mit einem handgeschriebenen Poster auf einen öffentlichen Platz.
Auch nach dem Angriff auf Ukraine Ende Februar trug Jelena Osipova, wie oft in den vergangenen Jahren, ihre Protestplakate auf die Straße – wie sie erzählt, nun mit mehr Zuspruch als sonst – und wurde deswegen (erneut) mehrmals kurzzeitig in Gewahrsam genommen.

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Chile: Wir haben keine Ministerin

Gemeinsam mit dem chilenischen Kollektiv LasTesis, das durch seine Performance Un violador en tu camino (Ein Vergewaltiger auf deinem Weg) weltweit bekannt geworden ist, hat die russische Punkrockband Pussy Riot am Wochenende ein Manifest gegen Polizeigewalt und Repression veröffentlicht. Die gemeinschaftliche Erklärung lässt sich hier nachlesen und anhören der Teil von Pussy Riot wird in Mexiko gelesen und Pussy Riot hat dazu ebenfalls ein Musikvideo gepostet. Es geht um die Verschärfung staatlicher Brutalität und Repression, die intensivierte Verfolgung sozialer Kämpfe im Schatten der Covid-19-Pandemie und den dennoch stattfindenden Widerstand in lateinamerikanischen Ländern wie Chile, wo „das Virus für die Regierung von Sebastián Piñera wie gerufen kam“1Wie die Zeitschrift ila in ihrer aktuellen Ausgabe mit Schwerpunkt Chile feststellt: Editorial, ila – Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika, Ausgabe Nr. 435 (Chile), Mai 2020, http://www.ila-web.de/ausgaben/435.. Die vorhergehenden Massenproteste sind dadurch momentan unterbrochen.

Mitte Oktober letzten Jahres hatte in Chile eine geplante Fahrpreiserhöhung für das U-Bahn-Netz der Hauptstadt Santiago Demonstrationen ausgelöst, die sich bald auf das gesamte Land ausgeweitet hatten. Die daraus enstandene Bewegung hatte sich wesentlich gegen die brutale soziale Schere zwischen Arm und Reich und das neoliberale Wirtschaftsmodell gerichtet, das in der chilenischen Verfassung verankert ist, die noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur (1973  – 1990) stammt. Freitag für Freitag hatten in Chiles Städten Hunderttausende gegen Ungleichheit, Armut und Korruption protestiert – gegen das Rentensystem, die für viele untragbaren Kosten für Bildung und Gesundheitversorgung, die Strompreise. Unter anderem mit der Ankündigung eines Referendums über eine neue Verfassung, das eigentlich im April hätte stattfinden sollen (und nun auf Oktober verschoben ist), hatte die konservative Regierung Piñera die aufgebrachte Bevölkerung wieder besänftigen wollen. Die Zugeständnisse konnten die Wut der Protestierenden allerdings nicht mehr bremsen und die Demonstrationen hielten monatelang an.2Unter anderem: Nicole Anliker: Die Chilenen sind wütend – sie wollen einen Systemwechsel, egal, wie hoch der Preis dafür ist, Neue Zürcher Zeitung, 01.12.2019, https://www.nzz.ch/international/chile-anhaltende-proteste-zeugen-von-wut-der-bevoelkerung-ld.1525485. Über 30 Menschen sind seit Beginn der Massenproteste getötet und Tausende verletzt und festgenommen worden. Das chilenische Institut für Menschenrechte (INDH) zählte in einem Bericht am 18. März „bereits mehr als 200 Fälle sexualisierter Gewalt durch Angehörige der Sicherheitsbehörden“3Susanne Brust: Historisch, aber nicht vorbei, Lateinamerika Nachrichten Nummer 550, April 2020, https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/historisch-aber-nicht-vorbei/. seit Mitte Oktober 2019.

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Wegen Papierfliegern vor Gericht

Bereits im Sommer 2018 fand in Nürnberg an der Zentrale des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Kundgebung statt, die in Zusammenhang mit einer Bustour der Gruppe Women in Exile & Friends von einer Aktivistin* des 8. März Bündnisses Nürnberg angemeldet worden war. Die Anmelderin* dieser Kundgebung stand nun letzten Freitag vor Gericht, weil sie den beteiligten geflüchteten Frauen* und Kindern nicht verboten hatte, Forderungen auf Papierfliegern an das Bundesamt zu richten. Die aus Papier, hauptsächlich im Din-A4-Format, gefalteten Flugzeuge hatten politische Forderungen wie „Stop deportation“, „Wir fordern gleiche Rechte“, „Lager abschaffen – Wohnraum für alle“ oder Kinderwünsche wie „Ich will ein eigenes Kinderzimmer und Lego zum Spielen“ über den Zaun getragen. Es sollen 50 Flieger gewesen sein.1Siehe unter anderem: PM „Women breaking borders“: Gerichtsprozess wegen Papierflieger über Zaun des BAMF, https://www.women-in-exile.net/pm-women-breaking-borders-gerichtsprozess-wegen-papierflieger-ueber-zaun-des-bamf/.

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