Rosa Luxemburg, geboren am 5. März 1871 – zumindest ist er das wahrscheinliche Geburtsdatum – als Rozalia Luxenburg in Zamość, Kongresspolen, damals Russland (nun Polen), wäre heute 150 Jahre alt geworden, wenn eine denn so alt werden könnte. Tatsächlich wurde sie bereits mit 48 Jahren am 15. Januar 1919 in Berlin, mit Billigung der sozialdemokratischen Regierung um Gustav Noske und Friedrich Ebert, von Freikorps-Soldaten ermordet.
„Jetzt besitze ich zwölf vollbepackte Pflanzenhefte und orientiere mich sehr gut in der ‚heimischen Flora‘, z. B. im hiesigen Lazaretthof, wo ein paar Sträucher und üppiges Unkraut zur Freude der Hühner und der meinen gedeihen. So muß ich immer etwas haben, was mich mit Haut und Haar verschlingt, so wenig sich das für eine ernste Person ziemt, von der man – zu ihrem Pech – immer etwas Gescheites erwartet. Auch Du, Liebste, willst nichts von meinem ‚Glück im Winkel‘ hören und hast dafür nur Spott. Aber ich muß doch Jemanden haben, der mir glaubt, daß ich nur aus Versehen im Strudel der Weltgeschichte herumkreisle, eigentlich aber zum Gänsehüten geboren bin.“
Diese Zeilen schrieb Rosa Luxemburg am 18.09.1915 in einem Brief aus dem Gefängnis Barnimstraße an Louise („Lulu“) Kautsky.
Einer ihrer wohl am meisten zitierten Sätze ist: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Er stammt aus der unvollendeten Schrift Die Russische Revolution von Herbst 1918 und war eine explizite Kritik an bolschewistischer Orthodoxie; der ihm vorausgehende Satz lautete: „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit.“ Rosa Luxemburg war ebenso eigensinnig wie ideenreich.
Ihr Hauptwerk Die Akkumulation des Kapitals von 1913 enthielt eine zeitgenössische Kritik des Kolonialismus und wurde mit ihrer Theorie einer „fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation“ in den 1970er und 1980er Jahren auch von feministischen Theoretiker*innen zur Analyse der kapitalistischen Verwertung von Reproduktionsarbeit und (postkolonialer) Subsistenzarbeit aufgegriffen. Luxemburg widersprach in ihrer Schrift Marx’ Ansicht, dass die „primitive“ (ursprüngliche) Form der Akkumulation – mit „Gewalt, Betrug, Bedrückung, Plünderung“ – nur als anfängliche gewaltsame Enteignung (etwa der Landbevölkerung von Grund und Boden) bei der Entstehung des Kapitalismus Bedeutung gehabt habe.
Die sogenannten Bielefelderinnen Maria Mies, Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt- Thomsen befassten sich ab Ende der 70er Jahre anhand des Luxemburg’schen Ansatzes mit der Reproduktion des Kapitals und dessen globaler Akkumulation. Sie bezogen sich auf Beziehungen außerhalb von (proletarischer) Lohnarbeit, d. h. in unbezahlter überwiegend weiblicher Reproduktionsarbeit (in Haushalten der Metropolenländer) und von Subsistenzbäuer*innen in der „Dritten Welt“, und beleuchteten geschlechtliche und internationale Arbeitsteilungen. Auch wenn diese Subsistenzperspektive unter anderem wegen der behaupteten Parallelität von metropolitaner Hausarbeit und Trikont-Subsistenzarbeit sowie einer daran anschließenden Überhöhung von Reproduktionsarbeit (ähnlich der vorausgehenden einer produktiven Arbeit des „Proletariats“) kritisiert worden ist, hat sie für eine feministische theoretische Auseinandersetzung zweifellos eine Rolle gespielt.
Falls es welche selbst (noch einmal) nachlesen möchten:
Claudia von Werlhof, 100 Jahre (nach) Rosa Luxemburg: Die «fortgesetzte» ursprüngliche Akkumulation und die Reproduktionskrise des Kapitals heute oder Tove Soiland, Innere Kolonien. Care als Feld einer «neuen Landnahme» und zur Kritik einer Feminisierung von Verantwortung durch diesen Reproduktionsbegriff Christine Parsdorfer, Die letzte Kolonie. Frauenarbeit zwischen alter Subsistenz und neuer Verantwortungsethik.
Übrigens: Selbst wenn Rosa Luxemburg keine ausdrückliche Feministin war, gibt es wie hier auch die Ansicht, dass sie schon damals Sexismus, Rassismus und Klassismus zusammengedacht hat und damit quasi eine eigene Vorstellung von Intersektionalität vorausgenommen hat.