Nachgereicht: Why the Panama Papers are a feminist issue

Fünf Wochen nach den ersten Berichten über die „Panama Papers“ hat nun Montagabend das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) Daten über Hunderttausende Briefkastenfirmen veröffentlicht und eine interaktive Datenbank mit Informationen über Unternehmen, Treuhandfonds und Stiftungen in 21 Steueroasen ins Netz gestellt. Bereits vor etwa einem Monat setzten sich Chiara Capraro und Francesca Rhodes auf OpenDemocracy mit den Panama Papers als feministischem Thema auseinander. Schattenfinanzwirtschaft und Steuerflucht und dadurch fehlende öffentliche Mittel betreffen Frauen* überproportional, schreiben sie, sie verlagern die Steuerlast, bedrohen den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und erhöhen die mit unentgeltlich geleisteter Care-Arbeit verbrachte Zeit.

(Die folgenden Ausschnitte aus dem Text sind in eigener Übersetzung wiedergegeben.)

… Die Panama Papers bieten weitere Belege für das Ausmaß globaler Steuerflucht und für die Auswirkungen auf Armut und Ungleichheit, insbesondere im globalen Süden. Es wird geschätzt, dass Steueroasen arme Länder jedes Jahr mindestens 170 Mrd. $ an verlorenen Steuereinnahmen kosten. Das ist wesentliches Geld, das in Schulen, Krankenhäuser, Kinderbetreuung oder Leistungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen fließen könnte.

Schattenfinanzwirtschaft und Steuerumgehung sind aus mindestens drei Gründen ein feministisches Thema. Erstens erhöhen Regierungen, wenn sie von reichen Einzelpersonen und Unternehmen nicht genügend Einnahmen erheben können, häufig indirekte Steuern wie die Umsatzsteuer, die diejenigen mit den niedrigsten Einkommen belasten – überproportional Frauen, denen aufgrund ihrer Geschlechterrollen die Aufgabe zufällt, Haushaltsbudgets im Gleichgewicht zu halten.

Zweitens hat ein Einnahmeverlust überproportionale Auswirkungen auf Frauen und insbesondere in Armut lebende Frauen, die von einem finanziell gut ausgestatteten öffentlichen Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem am meisten profitieren können, aber im Allgemeinen als erste zurückstehen müssen, wenn diese grundlegenden Leistungen am Bedarfsort nicht kostenlos sind … Eine Ölfirma bezahlte zum Beispiel [die panamaische Kanzlei] Mossack Fonseca für den Versuch ihr zu helfen, 400 Millionen US-$ an Steuern in Uganda zu vermeiden. Das ist mehr als das gesamte Gesundheitsbudget Ugandas.

Ein dritter und wesentlicher Grund besteht darin, dass unabhängig davon, ob es Einzelpersonen oder Unternehmen sind, die ihren Reichtum verschieben und verstecken, sie nicht wieder in die ‚Care-Ökonomie’ zahlen – die Menschen, die die Arbeitskräfte von heute und morgen produzieren und reproduzieren. Frauen und Mädchen leisten (meistens ohne Anerkennung und Entlohnung) über 75 % dieser Arbeit. Obwohl die Reichsten davon profitieren – sie verfügen über ein Reservoir an Arbeitskräften, die ausgebildet, gesund und ernährt sind –, zahlen sie nicht in Steuersysteme, die Verantwortung und Kosten durch die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen und sozialem Schutz umverteilen können. Und es ist belegt, dass Frauen einmal mehr einspringen und die Zahl der Stunden erhöhen, die sie mit der Sorge für andere zubringen, wenn solche Leistungen eingeschränkt werden oder nie in sie investiert wird, so dass ihnen die Zeit für Lernen, bezahlte Arbeit oder Erholung genommen wird.

Hier werfen sie einen schönen globalen Blick auf die Zusammenhänge, unter denen unbezahlte geschlechtlich zugewiesene Arbeit (nicht nur) den in die Steueroasen verschobenen Geldern zufließt, indem diese Arbeit in die ‚Privatsphäre’ ausgelagert wird (und insbesondere von Frauen übernommen wird, die sich Mehrarbeit am wenigsten leisten können). Für ihre Schlussfolgerungen treten sie davon allerdings wieder einen Schritt zurück:

Unser Ziel ist es natürlich nicht, zu einem Punkt zu gelangen, an dem es so viele weibliche wie männliche Milliardäre gibt, die Steuern umgehen können. Stattdessen müssen wir für eine gerechtere Wirtschaft und eine bessere Politik kämpfen, mit denen sowohl extreme Armut als auch extremer Reichtum in die Geschichtsbücher verbannt werden und in denen Frauen und Männer auf allen Ebenen über gleiche Entscheidungsgewalt verfügen. Um mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau zu sprechen, es ist 2016 – und jede andere Annahme ist lächerlich. Alle unserer Führungspersönlichkeiten – Frauen und Männer – müssen dringend Frauenrechten und wirtschaftlicher Gerechtigkeit Vorrang geben – das heißt, ein Steuersystem abschaffen, das es den Reichsten ermöglicht, sich gerechten Zahlungen zu entziehen, und die Investitionen ermöglichen, die Geschlechtergleichheit dringend benötigt.

Die Textpassagen oben hätten nun ebenfalls dazu veranlassen können, jenseits von Schönheitsreparaturen z. B. durch ‚gerechtere’ Besteuerung über das ‚Gesamtsystem’ nachzudenken. Und es hätte sich damit – jenseits der Frage, wer nun welche Gelder versteckt hat oder wer etwa durch Schließung von Steueroasen welches erhalten könnte (unter den Bedingungen des weltweiten Reproduktionsgefälles nicht die Frauen* in den beschriebenen Verhältnissen und auch vermehrte Investitionen in Gesundheitsversorgung oder Sozialsysteme dadurch bleiben fraglich) – auch die globale Arbeitsteilung und die Trennung in „produktive“ Arbeiten und „unproduktive“ Care-Arbeiten auf der feministischen Tagesordnung der Autorinnen finden können. Oder vielmehr die Veränderung dieser Verhältnisse.

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