Feministische Kämpfe im Sudan

Nach monatelangen Protesten der Bevölkerung wurde am 11. April 2019 das seit 1989 autoritär herrschende Staatsoberhaupt des Sudans, Omar al-Baschir, von der Armee gestürzt. Die Installation eines militärischen Übergangsrats konnte allerdings das massive Aufbegehren auf den Straßen nicht beenden: Die Protestierenden fordern weiterhin die vollständige Machtübergabe an eine zivile Regierung und setzen unter anderem die Demonstrationen in Sudans Hauptstadt Khartum fort. Oppositionsvertreter*innen und Armee verhandeln zurzeit über Bedingungen für einen Übergang.

Über die zentrale Rolle der Frauen in der Protestbewegung gegen das repressive Regime ist von den hiesigen Medien hier und da bereits geschrieben worden.1Unter anderem in: https://www.tagesspiegel.de/politik/umsturz-im-sudan-die-frauen-spielen-eine-sehr-wichtige-rolle/24209878.html, https://www.sueddeutsche.de/politik/sudan-alaa-salah-proteste-frauen-al-baschir-1.4407588, https://www.fr.de/politik/sudan-abertausende-sudanesen-demonstrieren-demokratie-12212007.html. Auf dem Blog Sudfa, einem französisch-sudanesischen Medium auf Mediapart, berichtet nun Eynass Buthayna, feministische Aktivistin, in einem ausführlichen Beitrag über die Geschichte der Frauen im Sudan, ihre doppelte Unterdrückung und ihre Beteiligung an den momentanen Auseinandersetzungen.2Eynass Buthayna: Révolutions #4 : la double oppression des femmes soudanaises; Sudfa, 08.05.2019, https://blogs.mediapart.fr/sudfa/blog/040519/revolutions-4-la-double-oppression-des-femmes-soudanaises. Ebenfalls über die Geschichte der sudanesischen feministischen Kämpfe (wenn auch kürzer) berichtet in der taz Rama Aldarwish: Gestern und heute Kämpferinnen; die tageszeitung, 21.04.2019, http://www.taz.de/Frauen-in-der-sudanesischen-Revolution/!5584229/.

Karte: Lage des Sudans

Sie erzählt von der weiter zurückliegenden, vorkolonialen Vergangenheit mit mächtigen Frauen wie Amanirenas, der nubischen Königin, die einen Aufstand gegen das Römische Reich leitete und die Truppen zurückschlug, dem geschichtlichen Erbe, aus dem sudanesische Frauen z. B. Kräfte für den Kampf gegen Kolonialismus und Diktatur schöpften.

Später schreibt sie über die sudanesische Frauenunion, die 1952 gegründet wurde und über fünfzehntausend Mitglieder hatte, „eine der größten und effizientesten feministischen Organisationen des afrikanischen Kontinents“. Dank der Union konnten sich Frauen im Sudan bestimmte Rechte, wie das aktive und passive Wahlrecht oder das Recht auf gleichen Lohn, erkämpfen; die Probleme der Landfrauen seien von der Vereinigung allerdings ausgeklammert worden. Mit dem Aufstieg der islamistischen Bewegung und der Einführung der Scharia im Jahr 1983 sei der Zusammenschluss dann ebenso wie politische Parteien verboten worden.

In der Folge wurden zunehmend Gesetze erlassen, die die Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit von Frauen einschränkten. Sie wurden zudem Opfer blutiger Kriege (unter Omar al-Baschir, der 1989 durch einen Militärputsch an die Macht kam, etwa in der Region Darfur) oder als Vertriebene, die in der Stadt zu überleben versuchten, Opfer der Repressionen gegen ambulante Händler_innen wie die Teeverkäuferinnen.

Gerade aufgrund dieser mehrfachen Unterdrückung seien die Frauen an den Protesten seit Dezember 2018 besonders beteiligt, schreibt Eynass Buthayna. „Die ersten Opfer des Regimes, waren sie auch die ersten Gegnerinnen.“ Momentan unterliegen Frauen im Sudan zahlreichen Vorschriften, die sie gängeln und abhängig machen. Genitalverstümmelungen, Frühverheiratungen, Verhängung von Peitschenhieben nach dem „ Gesetz über die öffentliche Ordnung“ für „unmoralisches“ Verhalten … die Frauen im Sudan kämpfen an vielen Fronten. „Eine Mutter kann ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes nicht mit ihrem Kind reisen. Im Fall einer Scheidung hängen die Zukunft der Kinder und ihre gesamten Ausweispapiere vom Vater ab. Um bei einer Scheidung das Sorgerecht für die Kinder zu erhalten, ist die Mutter gesetzlich verpflichtet, nicht vor sieben Jahren wieder zu heiraten.“

Daher protestierten sie mit ihrer Beteiligung an den Demonstrationen ebenfalls gegen das patriarchale System. „Revolutionäre Frauen demonstrieren und besetzen den Ort, um ihre Rechte geltend zu machen, ihre Anwesenheit auf der Straße zu erzwingen und darauf zu drängen, dass ihre Forderungen nach dem Fall des Systems angehört werden.“ Doch auch in der Protestbewegung ist es nicht immer einfach. „Viele Slogans und Lieder verwenden sexistische Analogien und sehr erniedrigende Begriffe und bringen das Regime mit weiblichen Merkmalen in Verbindung.“ Unter diesen Bedingungen kämpfen sudanesische Frauen auf verschiedenen Ebenen für einen Regimewechsel und für ihre feministischen Ideen.

Dieser Text ist nur eine kurze Zusammenfassung des Originals, das in allen Punkten viel ausführlicher ist. Das Gendersternchen hinter dem Wort Frauen (Frauen*) ist hier nicht verwendet, da sich die Autorin weniger mit dem „Konstrukt Weiblichkeit“ als ausdrücklich mit der geschichtlichen Rolle bzw. der Unterdrückung der weiblichen Bevölkerung beschäftigt. Natürlich schreibt sie darin auch über Geschlechterkonstruktionen.

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