USA Anfang Mai 2022: Über das Magazin Politico gelangt ein Entscheidungsvorschlag des US Supreme Court in einem Rechtsstreit um ein beschlossenes, aber bislang unwirksames Abtreibungsgesetz des US-Bundesstaates Mississippi an die Öffentlichkeit. Der Entwurf für das Urteil des höchsten Gerichts der Vereinigten Staaten sieht vor, die Grundsatzentscheidungen Roe v. Wade (1973) und Planned Parenthood v. Casey (1992) aufzuheben und die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch (wieder) den US-Bundesstaaten zu überlassen. Tatsächlich sind in vielen konservativen US-Staaten die Gesetze bisher lediglich außer Kraft gesetzt bzw. liegen bereits in den Schubladen, um Schwangerschaftsabbrüche zu kriminalisieren und zu bestrafen.
Weil kein US-weites Abtreibungsgesetz besteht, basiert das Recht momentan auf den früheren höchstrichterlichen Entscheidungen, die einen Abbruch bis zur Lebensfähigkeit (d. h. bis etwa maximal zur 24. Woche) erlauben. Das könnte sich noch in diesem Juni (oder Anfang Juli) ändern, da das tatsächliche Urteil des Supreme Court vor den danach beginnenden Gerichtssommerferien erwartet wird. Trotz Protesten (etwa Mitte Mai in 450 Städten) – und obwohl in den USA eine Bevölkerungsmehrheit Abtreibungen für richtig hält – wird sich der seit der Trump-Amtszeit mehrheitlich konservativ besetzte oberste Gerichtshof mit ziemlicher Sicherheit für ein Ende des fast 50 Jahre geltenden US-Abtreibungsrechts aussprechen.
(Wenn ich dieses Ereignis meines Lebens in einem einzigen Gemälde darstellen müsste, würde ich einen kleinen Resopaltisch vor einer Wand malen und eine Emailschüssel, in der eine rote Sonde schwimmt. Rechts davon eine Haarbürste. Ich glaube nicht, dass in irgendeinem Museum der Welt eine Werkstatt der Engelmacherin hängt.)
Annie Ernaux
Frankreich in den 60er-Jahren: Ungeschminkt und mit drastischen (realen) Einzelheiten schildert die Schriftstellerin Annie Ernaux in der autobiografischen Erzählung Das Ereignis eine Abtreibung unter den damaligen Bedingungen der Strafbarkeit. Nach einer mühseligen und demütigenden Suche nach Hilfe und eigenen Versuchen (Stricknadel, viel körperlicher Anstrengung) endet schließlich der Besuch bei einer „Engelmacherin“ Tage später mit einem Abgang, in dessen Folge sie fast verblutet und in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht wird. „Vielleicht wirkt diese Beschreibung irritierend oder abstoßend, oder sie mag als geschmacklos empfunden werden … Wenn ich diese Erfahrung nicht im Detail schildere, trage ich dazu bei, die Lebenswirklichkeit von Frauen zu verschleiern“, schreibt sie zur Erklärung. Durch ein Verbot werden Schwangerschaftsabbrüche eben nicht abgeschafft, sondern eher lebensgefährlich gemacht.
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