Wohin im Jemen?

Mitte März hat im Jemen der Nationale Dialog begonnen: Eine Konferenz mit 565 Delegierten und neun Ausschüssen, die sechs Monate tagen soll, um eine Grundlage für die Zukunft des Landes zu schaffen. Aber nicht alle der nominierten Delegierten, unter ihnen die 2011 mit Friedensnobelpreis ausgezeichnete Aktivistin Tawakul Karman, wollten an der Konferenz teilnehmen. Stattdessen forderte sie in einem Interview zunächst den vollständigen Rückzug des weiterhin straffrei im Land lebenden jemenitischen Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh aus der Politik.

Dies sei nicht der Dialog, zu dem sie aufgerufen hätten, erklärte sie zum Beginn der Konferenz. Die Beteiligung der Jüngeren, Frauen und zivilgesellschaftlichen Gruppen sei ungleichgewichtig im Verhältnis zu der Vertretung der alten Eliten, die das „Blut der revolutionären Jugend an den Händen haben“. Tatsächlich hat die frühere Regierungspartei General People’s Congress (GPC), deren Vorsitzender immer noch Ex-Präsident Saleh ist, mit 112 Sitzen den höchsten Delegiertenanteil erhalten. Eine Reihe anderer Parteien ist ebenso präsent wie die südjemenitische Bewegung al-Hirak, deren Forderungen sich zwischen Autonomie und Sezession des Südens bewegen. Unabhängigen Vertreter_innen der Jugend, der Frauen und der Zivilgesellschaft wurden jeweils 40 Sitze zugesprochen, bei einer Frauenquote für die Konferenz von insgesamt 30 %. „Wohin im Jemen?“ weiterlesen

Gratulation !

Dortmund muss neuen Straßenstrich einrichten

Gratulation … nicht zu einem Jahrestag oder ähnlichen Anlass, auch wenn es zeitlich nicht weit davon entfernt ist:

Ende März 2011 fasste der Rat der Stadt Dortmund den Beschluss, den Straßenstrich zu schließen und das gesamte Stadtgebiet zum Sperrbezirk zu erklären. Fast zwei Jahre danach hat nun am Donnerstag das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, es sei „nicht vertretbar, dass Straßenprostitution in keinem Bereich möglich ist“. Die Klägerin, die vor der Strichschließung in Dortmund arbeitete, sah durch die Entscheidung der Stadt Dortmund ihre Existenz bedroht und hatte Erfolg. „Wir haben gewonnen“, rief eine der Frauen quer durch den Gerichtssaal – nur die Vertreter von Stadt und Bezirksregierung blieben ernst. Sie hatten alles versucht und extra noch den Leiter des Kriminalkommissariats 22 mitgebracht, der für Kontrollen im Rotlichtbereich verantwortlich ist.1Peter Bandermann, Jörn Hartwich: „Wir haben gewonnen“. Prostituierte erkämpft vor Gericht Wiedereinführung des Straßenstrichs. Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Dortmund, 22.03.2013.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat keine Berufung zugelassen. Leider wird die Gerichtsentscheidung wohl dennoch nicht schnell umgesetzt werden: Die Stadt Dortmund will nicht, wie verlangt, nach einem neuen Standort für die Sexarbeit auf der Straße suchen, sondern prüfen, ob sie juristisch gegen das Urteil vorgehen kann. Der damaligen Schließung des Straßenstrichs war eine monatelange Kampagne gegen Zuwanderer_innen aus Bulgarien und Rumänien vorangegangen und auch gestern warnte in der Lokalpresse unverzüglich ein Polizeisprecher, die Straßenprostitution ziehe auch Kriminelle an. Zurzeit arbeiten die vom Strich Vertriebenen teilweise illegalisiert in der Dortmunder Nordstadt weiter; der Grund für die Aufrechterhaltung prohibitiver Maßnahmen kann daher nicht der „Jugendschutz“ in Wohngebieten sein, auch wenn es die Stadt Dortmund gern behauptet. Vielmehr scheint das von Stigmatisierung und Repression geprägte Vertreibungskonzept gescheitert. „Wo bleibt das Menschenrecht, wo die Würde der Frauen?“, fragte eine Kollegin am Rande des Prozesses. Man habe auf der Straße zuletzt „Katz und Maus mit der Polizei“ gespielt.2Annika Fischer: Dortmunder Prostituierte Dany K. hat ein Recht auf den Straßenstrich. WAZ, 22.03.2013, http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/dortmunder-prostituierte-dany-k-hat-ein-recht-auf-den-strassenstrich-id7753006.html. „Gratulation !“ weiterlesen

In Ägypten (und überall) gegen sexualisierte Gewalt

Ägyptische Organisationen rufen für den 12. Februar zu einem globalen Aktionstag gegen sexualisierte Gewalt bei Protesten in Ägypten auf: The nearest Egyptian Embassy of our place of residency all over the world 6pm local time. Bereits am Mittwoch demonstrierten in Kairo Tausende (hauptsächlich Frauen) gegen Übergriffe während der Massenproteste. Am 25. Januar, dem zweiten Jahrestag des Aufstandsbeginns, waren mindestens 25 Frauen auf dem Tahrir-Platz und in der Nähe von gewalttätigen Massen abgedrängt, angegriffen und teilweise vergewaltigt worden.

Die Selbsthilfeorganisation Operation Anti-Sexual Harassment/Assault (OpAntiSH siehe hier oder hier, andere Organisationen gegen sexualisierte Gewalt sind die Initiative Shoft Taharosh (I saw harassment) der Fouada Watch oder Tahrir Bodyguard) erhielt an dem Tag allein 19 Berichte über sexualisierte Angriffe auf dem Tahrir-Platz und konnte bei 15 eingreifen. Häufig gelingt es den Eingreifenden allerdings nur, die Angegriffenen schließlich in Sicherheit zu bringen und medizinisch zu versorgen. Die Proteste in Ägypten sind auch jenseits dessen zurzeit (wieder) von massiver Gewalt geprägt: Nicht nur in Kairo gingen die Sicherheitskräfte seit dem Jahrestag der Revolution äußerst brutal vor, in den Städten Port Said und Suez war der Großteil der fast 60 Toten seit dem 25. Januar zu beklagen, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. „In Ägypten (und überall) gegen sexualisierte Gewalt“ weiterlesen

Offener Brief von Frauen* aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis

Geflüchtete Frauen*, die in Breitenworbis in Thüringen untergebracht sind, haben einen offenen Brief über ihre Lebenssituation geschrieben. Der Brief endet mit der Erklärung: Wir wollen hier raus, wir wollen selbstbestimmt in Wohnungen leben. Wir wollen selber entscheiden wo wir wohnen. Anderswo ist die Situation ähnlich   .
Hier ist der Brief:

An das Landratsamt Eichsfeld, die Eichsfelder Ausländerbehörde und das Eichsfelder Sozialamt:

Wir leben in einem alleinstehenden Wohnhaus, 2 km von dem Ort Breitenworbis entfernt. Nebenan befindet sich eine stinkende Kläranlage sowie eine Mastanlage, was das Wohnen besonders im Sommer unerträglich macht. 120 Menschen – Familien und Alleinstehende – müssen sich wenige Toiletten, Duschen und Küchen teilen. Um einzukaufen, zum Arzt, zur Schule oder zum Kindergarten zu gelangen, müssen wir mehrere Kilometer zu Fuß auf einer unbeleuchteten Straße laufen. Eine Bushaltestelle gibt es nur im Ort.

Wir fühlen uns von der Gesellschaft isoliert und ausgegrenzt. Besonders für Frauen, die krank sind und schlecht laufen können sowie Mütter mit kleinen Kindern ist dieses Leben unerträglich. Hinzu kommt, dass wir mit unseren Problemen nicht ernst genommen werden. „Offener Brief von Frauen* aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis“ weiterlesen

Ägypten in schlechter Verfassung

Diesen und nächsten Samstag soll in Ägypten über den 234 Artikel langen Verfassungsentwurf abgestimmt werden. Weil sich viele der Richter weigerten, die das Referendum flächendeckend überwachen sollen, wird es in zwei Phasen abgehalten werden. Die feministische Gruppe Baheya Ya Masr ruft dazu auf, als Zeichen eines Neins zu dem Entwurf bei der Stimmabgabe Rot zu tragen. Sie erklärte, der Verfassungsentwurf enthalte „mehrere ‚Zeitbomben’ für Frauen und Kinder“, meldete die Zeitung Bikya Masr.

Zwar waren die Prinzipien der Scharia schon in der letzten Verfassung als Hauptquelle des Rechts festgeschrieben. Neu ist allerdings, dass die Gelehrten der al-Azhar-Universität – als höchste Instanz des sunnitischen Islams – bei Fragen des islamischen Rechts konsultiert werden sollen. Ein weiterer kritisierter Artikel sieht vor, dass Staat und Gesellschaft darauf hinarbeiten sollen, „die genuine Natur der ägyptischen Familie und ihre moralischen Werte zu wahren“. Manal al-Taibi, eine der wenigen Frauen*, die Mitglied der 100-köpfigen verfassungsgebenden Versammlung waren, hat (wie eine Reihe anderer Mitglieder aus verschiedenen Gründen) bereits vor einiger Zeit ihr Mandat aufgegeben. Sie sagte, die Forderung nach der Senkung des Heiratsalters auf 14 Jahre – das nun nicht mehr wie vorher in der Verfassung festgelegt ist – sei Förderung von Kinderehen und ähnle einer Vergewaltigung. „Ägypten in schlechter Verfassung“ weiterlesen