Tunesien: Parität ist nicht genug

Über einen Monat vor den Wahlen zu der verfassungsgebenden Versammlung, die für den 23. Oktober vorgesehen sind, sehen tunesische Frauenorganisationen ihr gesetztes Ziel nicht erreicht: Bei weniger als 5 % der von den Parteien aufgestellten Wahllisten befindet sich eine Frau auf dem ersten Listenplatz. Dabei hatten die Frauen im Vorfeld viel bewirkt: Fast einstimmig wurde im April schließlich von dem momentan gesetzgebenden Gremium, der Instance Supérieure pour la Réalisation des Objectifs de la Révolution, ein Wahlgesetz verabschiedet, das alle Parteien verpflichtete, ihre Wahllisten geschlechterparitätisch zu besetzen; zudem müssen Frauen und Männer alternierend auf den Listen aufgeführt sein. Diese Parität wird sich nun weniger als erhofft in der Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung niederschlagen. So wurden der Vereinigung Egalité et Parité zufolge, einer der Hauptakteurinnen in der Kampagne für eine paritätische Besetzung der Listen, Anfang September etwa von 27 bereits zusammengestellten Wahllisten der Parti Démocrate Progressiste (PDP) nur zwei von einer Frau angeführt.

Von den ungefähr 3,8 Millionen Tunesier_innen, die sich bis zum Stichtag als Wähler_innen haben registrieren lassen, sind nach Angaben der Instance Supérieure Indépendante pour les Eléctions (ISIE – die oberste unabhängige Wahlbehörde) 45 % Frauen; über die Hälfte von ihnen ist zwischen 21 und 30 Jahre alt. Souad Triki, die Vizevorsitzende der ISIE, erklärte, die Frauen für eine Beteiligung zu gewinnen, sei unter anderem dadurch erschwert, dass sie im Schnitt zu 30 % Analphabetinnen seien – und in den Regionen im Landesinneren die Rate auf 50 % steige. Auch verändern sich, wie überall, die gesellschaftlichen Strukturen, in die solche Prozesse eingebunden sind, und damit die Geschlechterverhältnisse wohl auch in Tunesien nur langsam.

Quellen: La Presse de Tunisie, 10.09.2011, Le Courrier de l’Atlas, 03.09.2011, Al Jazeera, 20.08.2011, El País, 13.04.2011.

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