Militärputsch im Sudan: Frauen*proteste und Repression

Im Sudan sind am vergangenen Sonntag Sicherheitskräfte (wieder einmal) brachial gegen die massiven Proteste vorgegangen, mit denen sich die Bevölkerung weiterhin gegen den im Oktober stattgefundenen Militärputsch wehrt. Das Datum dieses Sonntags – der 19. Dezember – gilt nicht nur als Jahrestag der „Dezemberrevolution“, die schließlich zum Sturz des diktatorischen Langzeitpräsidenten Omar al-Bashir führte (und in der Sudans Frauen* eine tragende Rolle spielten). Ebenfalls hatte Sudans Parlament am 19. Dezember 1955 die Unabhängigkeit von Großbritannien erklärt; die Beteiligung an den Demonstrationen am Sonntag ist (auch deswegen) enorm hoch gewesen.1Khalid Abdelaziz/Nafisa Eltahir: Hundreds of thousands march to Sudan presidential palace in protest against coup, Reuters, 20.12.2021, https://www.reuters.com/world/africa/security-forces-deploy-sudans-khartoum-against-planned-post-coup-protests-2021-12-19/.
Mitte 2019 hatten sich im Anschluss an al-Bashirs Absetzung der Militärrat und die sudanesische Opposition auf die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung geeinigt, gegen deren zivile Mitglieder die Streitkräfte nun vor ungefähr drei Monaten geputscht haben, um die Macht im Sudan allein zu übernehmen. Nach darauffolgenden Massenprotesten mit Forderungen nach einer ausschließlich zivilen Regierung durfte zwar im November der zivile Regierungschef Abdalla Hamdok sein Amt wieder übernehmen. Andere Positionen waren jedoch bereits neu besetzt worden, wie es der Putschistengeneral für opportun hielt2Johannes Dietrich: Sudan: „Das ist eine Konterrevolution“, Frankfurter Rundschau, 12.11.2021, https://www.fr.de/politik/sudans-militaerchef-setzt-sich-an-spitze-von-uebergangsrat-91112828.html., und die Vereinbarung mit Hamdok wurde vielfach als Versuch gesehen, den Coup d’Etat zu legitimieren. Daher haben daraufhin nicht nur elf Minister*innen, die vor dem Putsch Teil der Übergangsregierung waren, demonstrativ ihren Rücktritt erklärt311 Sudan Ministers resign as ‘Hamdok agreement legitimises military coup regime’, Dabanga, 23.11.2021, https://www.dabangasudan.org/en/all-news/article/11-sudan-ministers-resign-as-hamdok-agreement-legitimises-military-coup-regime., sondern auch die Straßenproteste haben nicht aufgehört.

Auf ihrem Blog beschreibt die Initiative Sudanese Women Rights Action nun die Vorgänge am Sonntag und fordert (gemeinsam mit zwei weiteren Frauen*-Organisationen) eine unabhängige Untersuchung, insbesondere der sexualisierten Angriffe auf Protestbeteiligte.
„Tausende von Demonstrant*innen erreichten den Präsidentenpalast in Khartum und kündigten ein Sit-in an. Die vereinten Sicherheitskräfte begannen, Protestteilnehmer*innen vor dem Palast mit Tränengas, scharfer Munition und Schlagstöcken anzugreifen. Medizinisches Personal und Ambulanzen wurden daran gehindert, sich in Bewegung zu setzen, um verletzte Personen zu bergen, während Protestierende, besonders Frauen, von Bereitschaftspolizei und Reservestreitkräften festgesetzt wurden. Dutzende demonstrierender Frauen waren während des gewaltsamen Vorgehens Schlägen, sexuellen Belästigungen und Beschimpfungen ausgesetzt. Dutzende demonstrierender Frauen berichteten, dass sie von Männern in Polizei-, Militäruniform und Uniform der Rapid Support Forces verbal und sexuell angegriffen und ausgeplündert wurden. … Die Führung der Widerstandsbewegung seit der Revolution von 2018 durch die sudanesischen Frauen hat in den letzten drei Jahren auf festen Füßen gestanden. Diese systemischen Angriffe durch Kräfte der Regierung gegen weibliche Protestierende haben das Ziel, Frauen daran zu hindern, aktiv am öffentlichen Leben teilzunehmen. …“
Auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat mittlerweile eine Untersuchung der dreizehn bekannt gewordenen Vergewaltigungen und anderen Gewaltakte von Sonntag gefordert, die zudem zur Tötung von zwei Personen und etwa 300 Verletzten geführt haben.4Sudan protests: UN High Commissioner decries reports of rape, harassment, Dabanga, 21.12.2021, https://www.dabangasudan.org/en/all-news/article/sudan-protests-un-high-commissioner-decries-reports-of-rape-harassment; Emma Farge (Genf)/Nafisa Eltahir/Khalid Abdelaziz (Khartum): UN reports 13 rape allegations during Sudan protests, Reuters, 21.12.2012, https://www.reuters.com/world/africa/un-reports-13-rape-allegations-during-sudan-protests-2021-12-21/html.

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Türkei: Proteste gegen Austritt aus Übereinkommen

Die Türkei ist in der Nacht zu letztem Samstag durch Präsidialdekret aus der Istanbul-Konvention (eigentlich: Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) ausgetreten. Nun könnte dieses Abkommen herzlich egal sein, wenn die Realität besser wäre, aber laut der Plattform Wir werden Frauenmorde stoppen‘ (Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu), die sofort zu Protesten aufrief, sind vergangenes Jahr in der Türkei von Männern aus ihrem Umfeld 300 Frauen ermordet worden und weitere 171 Tote unter verdächtigen Umständen aufgefunden worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Mitte 2020 schon von einem Anstieg der Zahl der Femizide zwischen 2015 und 2019 um etwa 60 Prozent im Land berichtet.
Empört über diesen Schritt demonstrierten daher im Laufe des Wochenendes in Istanbul und anderen türkischen Städten Tausende und zeigten dabei Plakate mit Porträts getöteter Frauen* (einige Videos und Bilder von Demonstrationen und Kundgebungen sind auf dem Twitter-Account der Plattform ‚Kadın Cinayetlerini Durduracağız‘ zu finden). Die Proteste werden in den kommenden Tagen fortgesetzt.

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Trauer und Mut in Myanmar

„Zu Hunderttausenden haben sich Frauen zu täglichen Demonstrationen versammelt, sie vertreten die streikenden Gewerkschaften der Lehrer_innen, Bekleidungsarbeiter_innen und des medizinischen Personals – alles von Frauen dominierte Sektoren“, berichtete Anfang März die New York Times1Hannah Beech: ‘She Is a Hero’: In Myanmar’s Protests, Women Are on the Front Lines, The New York Times, 04.03.2021, https://www.nytimes.com/2021/03/04/world/asia/myanmar-protests-women.html. über die bedeutende weibliche Beteiligung an den Massenkundgebungen gegen den Militärputsch in Myanmar. Die Jüngsten befänden häufig in den ersten Reihen, wo sie von den Sicherheitskräften ins Visier genommen würden.
Auch dem Magazin Foreign Policy2Jessie Lau: Myanmar’s Women Are on the Front Lines Against the Junta, Foreign Policy, 12.03.2021, https://foreignpolicy.com/2021/03/12/myanmar-women-protest-junta-patriarchy-feminism/. zufolge richtet sich der Protest gleichzeitig gegen eine patriarchale Ordnung, als deren Repräsentanten sich die Streitkräfte darstellen. Die Zusammensetzung der Protestierenden sei vielfältig; es seien streikende Beschäftigte ebenso wie besonders Jüngere aus der Mittelschicht, Frauen* aus ethnischen Minderheiten oder Angehörige der LGBTI-Community, die sich an der Bewegung gegen Staatsstreich beteiligten.

Protest gegen den Militärputsch in Myanmar
Lehrer_innen-Protest am 9. Februar in Hpa-an (Foto: Ninjastrikers (BY-SA 0.4))

Die Ordnungskräfte reagieren jedoch mit brutaler Gewalt auf den Widerstand: Die Zahl der getöteten Teilnehmer_innen von Anti-Putsch-Demonstrationen liegt nach Angaben einer Unterstützungsorganisation für politische Gefangene inzwischen (am 17.03.2021) bei über 200.3Unter anderen: Über 200 Tote seit Militärputsch in Myanmar (APA/dpa/Reuters), Südtirol News, 17.03.2021, https://www.suedtirolnews.it/politik/ueber-200-tote-seit-militaerputsch-in-myanmar; Gewalt der Militär-Junta: Zahl der Toten bei Demonstrationen in Myanmar übersteigt 200 (june/dpa), RP Online, 17.03.2021, https://rp-online.de/panorama/ausland/myanmar-tote-bei-demonstrationen-uebersteigt-zahl-von-200_aid-56844979. Junta-Kräfte legten mit Scharfschützengewehren auf Demonstrierende, aber auch auf andere Bürger_innen an, es gibt Fälle von Verschleppungen und Folter. Dennoch reißen die Proteste bisher nicht ab, die in Myanmar einige Tage nach der erneuten Machtübernahme durch das Militär zu Beginn der neuen Legislaturperiode am 1. Februar eingesetzt haben.

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Alles wird anders

im Jahr 2021…

strajk kobiet
Ab Ende Oktober fanden in Polen massive Proteste gegen die Verschärfung des ohnehin völlig restriktiven Abtreibungsrechts bzw. gegen dessen De-facto-Abschaffung statt, der das mit regierungstreuen Richtern besetzte polnische Verfassungsgericht zugestimmt hatte. Allein in Warschau (Foto) waren am 30. Oktober etwa 100.000 Menschen auf der Straße.

…und wirklich hoffentlich viel besser. Kritik und Proteste sollten hier im kommenden Jahr ebenfalls weniger quer- und viel mehr queer*-gedacht werden … gern auch weiterhin mit Abstand und allem anderen, was dazugehört, falls es notwendig bleibt, aber öfter! Auch in Pandemie-Zeiten ist es fatal, die Beurteilung von Maßnahmen rechten, verschwörungstheoretischen, sexistisch und rassistisch denkenden Stimmungsmachenden zu überlassen.
Also: Für ein solidarischeres, offeneres, kritisch-aktiveres und wunderschönes Jahr 2021.
mutlu yıllar · happy new year · bonne année · szczęśliwego nowego roku

#RotlichtAn

Während in Österreich und den Niederlanden seit Anfang Juli Prostitutionsbetriebe wieder öffnen dürfen und in der Schweiz und Belgien Sexarbeit bereits seit Anfang/Mitte Juni wieder legal ist, bleiben die Arbeitsstätten hier weiterhin geschlossen. Nach lautstarken Protesten dagegen in Berlin und Hamburg wollen nun diesen Mittwoch auch in Köln Sexarbeiter*innen ein Ende des anhaltenden Arbeitsverbots fordern.

RotlichtAn

Bereits vor über einem Monat – zum internationalen Hurentag am 02. Juni – hatte der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BeSD), unter anderem gemeinsam mit Fachberatungsstellen, die Kampagne RotlichtAn gestartet (hier auf Twitter), denn seit Mitte März ist das Rotlicht aufgrund der Coronaverordnungen aus. Das hat ökonomische und soziale Folgen für Sexarbeiter*innen, die mittlerweile einige dazu gebracht haben, ihre Arbeit illegalisiert wieder aufzunehmen. Sie müssen schließlich überleben.

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