Zur Konferenz der antirassistischen Bewegung in Frankfurt: Pecha Kucha „No Sexism“

Mitte November fand in Frankfurt die zweite Konferenz zu Bilanz und Perspektiven der antirassistischen Bewegung statt. Das Konferenzprogramm wurde entlang von sieben Schwerpunkten ausgerichtet, die zum Auftakt am Freitagabend zunächst in Bildervorträgen (Pecha Kucha) vorgestellt wurden.

Im Rahmen des Schwerpunkts No Sexism fanden mehrere Workshops statt, die zunächst den Blick auf die von einer Ethnisierung von Geschlechterhierarchien und Gewaltverhältnissen geprägten gesellschaftlichen Diskurse der letzten Jahre richteten: Medienberichte und politische Debatten drehten sich um „Zwangsprostitution“, „Zwangsehen“ oder „Kopftuchzwang“, und eine „fremde patriarchale Kultur“ wurde gezeichnet, die oft vollkommen anders scheint als die „westlich-demokratische Kultur“ (in der Frauen angeblich gleichberechtigt sind). Die Auswirkungen eines gesellschaftlichen Konsens, der Frauen* in der Migration bzw. der nachfolgenden Generationen hauptsächlich die Opferrolle zuweist, sind vielfach striktere Migrationskontrollen oder aufenthaltsrechtliche Regelungen. Diese zementieren gerade Abhängigkeitsverhältnisse, während dagegen ungleiche Geschlechterverhältnisse und Gewalt in der „eigenen“ Gesellschaft dem Blick entzogen werden. „Zur Konferenz der antirassistischen Bewegung in Frankfurt: Pecha Kucha „No Sexism““ weiterlesen

17 December is

…the International Day to End Violence against Sex Workers.

End violence against sex workersUrsprünglich als Gedenktag für die Opfer des „Green River“-Mörders entstanden, die überwiegend Sexarbeiterinnen waren, hat sich der 17. Dezember mittlerweile als Tag gegen Gewalt gegen Sexarbeiter_innen etabliert, an dem die Bedeutung struktureller Ursachen der Gewalt, wie Kriminalisierung und Stigmatisierung von Sexarbeiter_innen oder eine restriktive Politik gegen weibliche Mobilität, ausdrücklich thematisiert werden. Um sichtbaren Widerstand gegen und Schutz vor Diskriminierung zu symbolisieren, protestieren Sexarbeiter_innen mit roten Regenschirmen.

Die Kriminalisierung von Sexarbeiterinnen und eine Zunahme von Gewalt gegen sie können allerdings immer noch als „Erfolg“ begrüßt werden. In Dortmund wurde Mitte Mai mit der Ausweitung des Sperrbezirks auf das gesamte Stadtgebiet die Straßenprostitution vollständig verboten. Vorausgegangen war eine monatelange Kampagne vorwiegend gegen bulgarische Zuwanderer_innen, die nach dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens 2007 zugezogen waren und allgemein als den Roma zugehörig betrachtet werden, auch wenn sie sich der türkischen Minderheit Bulgariens zurechnen. Während der von nicht nur antiziganistischen Untertönen getragenen Kampagne weiteten sich in osteuropäischen Ländern, zuletzt auch in Bulgarien, Ausschreitungen gegen Roma aus.

„Die Schließung des Straßenstrichs an der Ravensberger Straße war die richtige Entscheidung“, befanden am Donnerstag Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau und der stellvertretende Polizeipräsident Ingolf Möhring unisono. Dementsprechend positiv fällt das Fazit von Stadt und Polizei ein halbes Jahr nach der Beschlussfassung im Rat (31. März) zur Schließung aus.1Andreas Winkelsträter: Weniger Kriminalität in der Nordstadt von Dortmund nach Aus für Straßenstrich. Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 29.09.2011, http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/weniger-kriminalitaet-in-der-nordstadt-von-dortmund-nach-aus-fuer-strassenstrich-id5112091.html. „17 December is“ weiterlesen

Hürden der Heiratsmigration

Seit Herbst 2007 setzt der Nachzug von Ehegatt_innen aus Nicht-EU-Ländern voraus, dass der/die nachziehende Ehegatt_in deutsche Sprachkenntnisse nachweisen kann – es sei denn, diese_r kommt etwa aus Japan, Kanada, Südkorea, der Schweiz oder den USA. Solche Sprachprüfungen lassen sich einer Stellungnahme der Europäischen Kommission zufolge nicht mit Europarecht vereinen.

Nach der EU-Richtlinie 2003/86/EG, die das Recht auf Familienzusammenführung behandelt, dürfe kein Mitgliedsstaat einem Familienmitglied die Einreise und den Aufenthalt verweigern, weil dieser Familienangehörige die von dem Mitgliedsstaat im Ausland vorgeschriebene Prüfung nicht bestanden habe. „Andere Faktoren sind in dieser Angelegenheit nicht relevant“, lautet der abschließende Satz der an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gerichteten Erklärung.1Zitiert nach einer nichtamtlichen Übersetzung der Stellungnahme der Kommission vom 04.05.2011, u.a. unter: http://www.emhosting.de/kunden/fluechtlingsrat-nrw.de/system/upload/download_2654.pdf; auch ANA-ZAR, Heft 3/2011, S. 19, http://auslaender-asyl.dav.de/ANA-ZAR03-11.pdf; dort wiedergegeben als: Art. 7 Abs. 2 FZF-RL erlaubt es nicht, dass dem Ehegatten eines Drittstaatsangehörigen, der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat lebt, nur deshalb Zugang zum Staatsgebiet verweigert wird, weil er einen Integrationstest im Ausland nicht bestanden hat, der durch nationales Recht dieses Mitgliedstaates vorgeschrieben ist. Ein Gericht in den Niederlanden, wo ähnliche Zuzugsvoraussetzungen bestehen, hatte dem EuGH mehrere Fragen vorgelegt, um die Vereinbarkeit mit europäischem Recht zu klären. „Hürden der Heiratsmigration“ weiterlesen

Dokumentation: Rechtssicherheit statt Repression

Der Internationale Hurentag erinnert an 100 Prostituierte in Lyon, die im Jahr 1975 eine Kirche besetzten. In seiner diesjährigen Erklärung zum Internationalen Hurentag weist das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas e.V.) besonders auf die Situation der bulgarischen Sexarbeiterinnen in Dortmund hin, die seit der Schließung des Straßenstraßenstrichs am 16. Mai „von einem massiven Aufgebot an Ordnungskräften verfolgt“ werden. Die beabsichtigte ordnungspolizeiliche Vertreibung der aus Rumänien und Bulgarien zugezogenen Migrant_innen wurde zur Grundlage der Repression gegen Sexarbeiterinnen: „Es ist wie 1975 in Lyon. Die Frauen sind gezwungen, allein und ohne Schutz dunkle Ecken aufzusuchen, um ihren Lebensunterhalt zu erwerben.“

Die Erklärung:

Rechtsicherheit statt Repression!
Erklärung zum Internationalen Hurentag

Der Internationale Hurentag erinnert an 100 Prostituierte in Lyon, die im Jahre 1975 eine Kirche besetzten. Sie protestierten gegen die rigide Reglementierung der Prostitution in ihrer Stadt und in ganz Frankreich.
Die Stundenhotels waren für Sexarbeiterinnen geschlossen und Prostitution auf der Straße verboten worden. Polizei- und Ordnungsbehörden setzten diese Verbote ohne Rücksicht auf Verluste durch. Begründet wurde dies mit dem angeblichen „Kampf gegen Zuhälter“. Der Protest der Prostituierten pflanzte sich in viele Städte Frankreichs und auch in andere europäische Länder fort. Der Aufstand wird als Beginn der europäischen Hurenbewegung gefeiert. „Dokumentation: Rechtssicherheit statt Repression“ weiterlesen

Burkaträgerinnen und Hausarbeiterinnen

Da die Diskussionen über die oben erwähnten Bereiche (z.B. den der Verwandtschaft, der Ausbildung, Religion etc.) im Kontext einer relativen „Unterentwicklung“ der Dritten Welt geführt werden (was nicht weniger heißt, als ungerechtfertigterweise Entwicklung mit der vom Westen eingeschlagenen Entwicklungsrichtung zu verwechseln und auch die direkte Machtausübung der Ersten Welt zu ignorieren), werden Dritte-Welt-Frauen als eine Gruppe oder Kategorie automatisch und notwendigerweise definiert als: religiös (sprich: „nicht fortschrittlich“), familienorientiert (sprich: „traditionell“), rechtlich minderjährig (sprich: „sie-sind-sich-ihrer-Rechte-immer-noch-nicht-bewußt“), analphabetisch (sprich: „dumm“), häuslich (sprich: „rückständig“) und manchmal revolutionär (sprich: „ihr-Land-befindet-sich-in-einem-Kriegszustand!“
Chandra Talpade Mohanty: Under Western Eyes. Feminist Scholarship and Colonial Discourses. 19841 Zitiert nach der Übersetzung in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Heft 23, Köln 1988, S. 159 (Chandra Talpade Mohanty: Aus westlicher Sicht: feministische Theorie und koloniale Diskurse).

Während die Geschlechterverhältnisse in den europäischen Mehrheitsgesellschaften unvermutet egalitär geworden sind, gibt die Unterdrückung der Musliminnen offenbar Anlass zu offizieller Besorgnis. Das könnte sich jedenfalls aus den wiederholten Debatten der vergangenen Jahre schließen lassen. Tatsächlich formuliert sich in den kulturalisierenden Diskursen um Geschlechterverhältnisse die (Neu-)Herausbildung einer europäischen Gemeinschaftsidentität: Kämpfe um Mobilität und Aufenthalt als Momente der Transformation europäischer Gesellschaften werden umgedeutet in „Kultur“, und die Muslima ist als „Andere“ zu einem im Inneren der Gesellschaften verorteten Außen geworden. Da als „geschlechtlich definierte Körper“ Frauen nicht nur als „biologische Produzentinnen“ sondern auch „als die kulturellen Symbole“ der herzustellenden Gemeinschaft sowie „als ‚Grenzposten’ ethnischer, nationaler und rassisch gesetzter Differenzierungen“ aufgefasst werden2Nira Yuval-Davis: Geschlecht und Nation. Emmendingen 2001, S. 48, S. 68, S. 113, S. 190., ist der Körper der Frau zum „Austragungsort“ europäischer Identitätskonstruktionen geworden.

„Dabei“, stellt in einem Interview zu der allgemein als „Burkaverbot“ bezeichneten Verbannung der Gesichtsverschleierung in Frankreich die Kulturwissenschaftlerin Gabriele Dietze fest, „verhält sich die ‚Grande Nation’ nicht viel anders als der imaginierte muslimische Patriarch: Beide machen Frauen zum Symbol ihres kulturellen Selbstverständnisses.“3Interview durch Beate Hausbichler: „Debatte hat pornografischen Aspekt“. DieStandard, 22.07.2010. Für den Berliner Ex-Finanzsenator und mittlerweile Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin ist dagegen die Gemeinschaftsreproduktion gleich die biologische – unter anderem ursächlich für „den besonderen Kinderreichtum der muslimischen Migranten“ ist auch hier die „mangelhafte Emanzipation der Frauen“; „die in der Familie oft eingesperrten Frauen haben im Grunde ja kaum etwas anderes zu tun“4Ich möchte darauf hinweisen, dass ich kein Interesse habe, Zitate aus dem Buch „Deutschland schafft sich ab“ ordnungsgemäß mit Literaturangaben zu belegen; das Buch findet sich (eingescannt) an verschiedenen Stellen im Internet, falls eine_r es lesen möchte.. Das „Projekt Sarrazin“ greift auf das gesamte biologistische Arsenal und die geschlechtliche Verweisung auf den Bereich der Lebensproduktion zurück; Frauen sind darin Gebärerinnen höher- oder niederwertiger ethnifizierter Gemeinschaften. Im Allgemeinen wiederholt allerdings die öffentliche Debatte zurzeit eher die Zuweisungen eines kulturalistischen Rassismus, um ahistorisierend Individuen und Kollektive mit unverrückbaren Eigenschaften zu belegen. „Burkaträgerinnen und Hausarbeiterinnen“ weiterlesen