Anders mobil in der Stadt

Gestern beteiligten sich bei schönem Radfahrer*innen-Wetter etwa fünfzig Personen an einer farbenfrohen flinta*-fahrtbunt! laut! sichtbar! – durch Dortmund. Die erste Dortmunder Flinta*1FrauenLesbenInterNichtbinäreTransAgender*-Personen-Fahrrad-Demonstration, zu der die Initiative für Nachhaltigkeit e. V. aufgerufen hatte, begann am Friedensplatz und endete schließlich beim flinta*sialand-Festival im Hafen.
Vor dem Start konnten die Räder unter anderem mit von foodsharing Dortmund geretteten Blumen geschmückt werden und danach wurden in einem kurzen Redebeitrag die Hintergründe des radelnden Protests beleuchtet: Personen, die Care-Arbeit leisten, die mehrheitlich (immer noch) weiblich gelesene Personen sind, bewegen sich auf ihren täglichen Wegeketten anders, also eher mit Fahrrad oder öffentlichem Nahverkehr durch die Stadt, das heißt ebenfalls klimafreundlich. Dagegen hat die patriarchale Gesellschaft die Mobilität auf den Autoverkehr (häufiger von Männern* genutzt) ausgerichtet – dass geschlechtlich zugewiesene (bzw. abgewiesene) Care-Arbeit gesellschaftlich geringer gewertet wird, obwohl sie wortwörtlich (über-)lebensnotwendig ist, zeigt eben auch die Verkehrsplanung. In Dortmund fehlt es an Radwegen, die (wenn vorhanden) außerdem oft schmal und unsicher sind, und Fortschritte lassen sich kaum erkennen. Eine andere Mobilitätsentwicklung ist erforderlich!
Es folgen nun einige Fotos der von Musik begleiteten und übrigens gerne zu wiederholenden Flinta*-Fahrt:

wir brauchen einen lauten, politischen Protest“

Anschließend an vorausgegangene Beiträge muss natürlich festgestellt werden, dass patriarchale Mobilisierungen ebenso (wie rassistische) zugenommen haben, gegen eine Selbstbestimmung über den eigenen Körper (was unter anderem Schwangerschaftsabbrüche betrifft) und besonders gegen queere Menschen. Neonazi-Gruppen haben im letzten Jahr versucht1Paulina Bermúdez: Neonazis rufen überregional zur Störung des Christopher Street Days in Dortmund auf, Nordstadtblogger, 13.09.2024, https://www.nordstadtblogger.de/neonazis-rufen-ueberregional-zur-stoerung-des-christopher-street-days-am-samstag-auf/; Lorenz Blumenthaler (Pressemitteilung): 55 Angriffe auf CSDs in 2024: Amadeu Antonio Stiftung fordert zum Auftakt der CSD-Saison Schutz und bietet Unterstützung, Amadeu Antonio Stiftung, 28.05.2025, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/pressemitteilungen/55-angriffe-auf-csds-in-2024-amadeu-antonio-stiftung-fordert-zum-auftakt-der-csd-saison-schutz-und-bietet-unterstuetzung/. und versuchen zurzeit erneut2Erik Peter: CSDs trotzen rechten Angriffen: „Wir haben Angst, dass es wieder wird wie in den 90ern“, die tageszeitung, 31.05.2025, https://taz.de/CSDs-trotzen-rechten-Angriffen/!6089007/., gegen Christopher-Street-Day-Demonstrationen mobil zu machen. Es soll(te) eine Drohkulisse aufgebaut werden, mit der sie ihre Agenda verfolgen, eine „Raumnahme durch reale oder angedrohte Gewalt. Alle, die nicht in ihr rechtes Weltbild und ihre Vorstellung von »Normalität« passen oder passen wollen, sollen sich im öffentlichen Raum nicht sicher fühlen“, kommentierte das Autor*innenkollektiv Feministische Intervention3Autorinnenkollektiv Feministische Intervention (AK Fe.In): »Weiß, normal, hetero«: Wenn Neonazis gegen CSDs mobilisieren, nd, 29.09.24, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185627.queerfeindlichkeit-weiss-normal-hetero-wenn-neonazis-gegen-csds-mobilisieren.html. im September 2024 die Einschüchterungsversuche. Mit ihnen könnten die Neonazi-Gruppen an „endlose und oft inhaltsleere antifeministische und transfeindliche Debatten“ anknüpfen, in denen sich zunehmend heteronormativ-hierarchisierte Weltvorstellungen (oft nicht nur von rechts) ausdrücken.

Allerdings demonstrierten und feierten gerade erst am 26. Juni (also beinahe am Jahrestag der Stonewall-Riots, mit denen sich vor allem trans Frauen und queere Personen of Color am 28. Juni 1969 gegen eine Polizeirazzia im Stonewall Inn in New York wehrten, und an die mit den CSDs erinnert wird4Gedenk- & Aktionstage: Jahrestag der Stonewall-Aufstände: 28. Juni 2024, Christopher Street Day Leipzig, 28.06.2024, https://csd-leipzig.de/2024/06/jahrestag-der-stonewall-aufstaende/; Kuku Schrapnell: Komm bitte, Regenbogenflagge, analyse & kritik, 18.06.2024, https://www.akweb.de/gesellschaft/komm-bitte-regenbogenfahne/; Helena Kaschel: Stonewall: Beginn eines globalen Aufbruchs, Deutsche Welle (DW), 28.06.2019, https://www.dw.com/de/stonewall-beginn-eines-globalen-aufbruchs/a-49328161.) beim Berliner Christopher Street Day Hunderttausende, geschätzt bis zu 500.000 Menschen, unter dem Motto „Nie wieder still!“ gegen Diskriminierung und für Sichtbarkeit der LGBTI+-Community.5Nicolai Kary: Hunderttausende feiern Vielfalt auf Berliner CSD, die tageszeitung, 28.07.2025, https://taz.de/Hunderttausende-feiern-Vielfalt-auf-Berliner-CSD/!6099295/.
In Dortmund folgen in diesem Monat gleich mehrere CSD-Veranstaltungen: Der 27. CSD Dortmund – QUEER, LOUD, PROUD – Zusammen gegen Rechts beginnt am 16. August um 13:00 Uhr mit einer Demonstration (Nordausgang, Hauptbahnhof Dortmund), auf die ein Straßenfest folgt. Bereits für den Vorabend ruft die Gruppe TransAction Dortmund ab 18 Uhr (an der Katharinentreppe gegenüber vom Hauptbahnhof) zu einer Demonstration Queerer Protest statt Straßenfest auf, denn „in aktuellen Zeiten können wir Erfolge nicht zelebrieren, wenn diese wieder rückgängig gemacht und angegriffen werden. Wir brauchen einen lauten, politischen und wütenden Protest“.

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Feministischer Frühling, hoffentlich [Ausblick auf den 8. März]

Kurz zum um die Ecke wartenden achten März, der natürlich intersektional queer-feministisch wird, mit vielen Schwerpunkten jedenfalls und an vielen Orten weltweit.
A la calle contra la ofensiva patriarcal! (Auf die Straße gegen die patriarchale Offensive!), ruft in Chile etwa die Coordinadora Feminista 8M auf und fragt unter anderem ¿Dónde está Julia Chuñil? (Wo ist Julia Chuñil?) – denn am 8. März wird Julia Chuñil Catricura, Mapuche und Aktvistin, seit genau vier Monaten spurlos verschwunden sein. Die 70-Jährige lebte in einem einfachen Holzhaus in der Región de Los Ríos im chilenischen Süden als Besetzerin auf dem Land eines Großgrundbesitzers. In Chile sehen jetzt viele die Ursache ihres Verschwindens in dem Konflikt um das Fleckchen Erde, auf dem sie lebte – als Teil des Lands, von dem die Mapuche durch europäische Siedler*innen seit Ende des 19. Jahrhunderts gewaltsam vertrieben worden waren.1Malte Seiwerth: Chile: Die Landfrage und die Frage nach einer verschwundenen Mapuche, amerika21, 01.03.2025, https://amerika21.de/analyse/274047/wo-ist-julia-chunil.
In Argentinien waren bereits am 1. Februar zwei Millionen Menschen auf den Straßen, um gegen die Hetzrede des ultrarechten Präsidenten Milei beim Weltwirtschaftsforum in Davos gegen Queer-Feminismus und LGBTIQ+-Personen2Sophia Boddenberg: Feminismus und LGBT in Argentinien: „Unser Leben ist in Gefahr“, die tageszeitung, 01.02.2025, https://taz.de/Feminismus-und-LGBT-in-Argentinien/!6063247/. zu protestieren, und am 8. März sind ebenfalls große Demonstrationen zu erwarten – dieses Jahr unter anderem unter dem Motto „gegen den Betrüger Milei“.

„Feministischer Aufstand“ – Nordstadt Dortmund, Blücherpark
(Geplante Veranstaltungen/Aktionen in Bochum/Dortmund zum 8. März findet ihr weiter unten im Text.)
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Machtbesessenheit, Opportunismus, rassistische Hetze, sonst nichts

In Dortmund versammelten sich am Donnerstagabend kurzfristig mobilisiert erfreulicherweise 5.000 Menschen (die Polizei hatte 500 Teilnehmende erwartet), um gegen das Gemeinsame-Sache-machen der CDU und der trittbrettfahrenden FDP mit der (neo)nazistischen Afd zu demonstrieren.

Teilnehmende und Redebeiträge kritisierten das Zusammenspiel mit der AfD, aber auch die Couleur des Mittwoch im Bundestag verabschiedeten – übrigens verfassungs-1Neben internationalen bzw. europäischen Schutzmöglichkeiten besteht ein im Grundgesetz verankertes Asylrecht (Art. 16a GG). Dessen Anwendungsbereich wurde allerdings 1993 durch eine Verfassungsänderung so weit eingeschränkt, dass es es kaum noch besteht (siehe u. a.: Informationsverbund Asyl & Migration: Asylrecht nach dem Grundgesetz (Stand: Januar 2023), https://www.asyl.net/themen/asylrecht/schutzformen/asylgrundrecht). und europarechtswidrigen – Merz-CDU-Plans und andere Parteiinhalte, denn wodurch die Vorlage AfD-(und FDP-)zustimmungsfähig geworden ist, wird durch das AfD-Problem leicht vergessen: Gesetzt wurde auf rassistische Ununterscheidbarkeit, das heißt: Menschenverachtung, Hetze und Hass. (Das soll kein Lob für SPD und Grüne sein, die in geringerem Maß ebenfalls rechte Narrative kopiert haben.) Obwohl der zweite Akt, das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, heute im Bundestag gescheitert ist und Merz‘ Machtkalkül damit nicht aufgegangen ist (an der Afd hat das nicht gelegen), lässt sich für die Zukunft und auch andere Themen wie Selbstbestimmung über weibliche oder trans Körper Schlechtes ahnen. Und das alles geschieht unmittelbar nach dem Gedenktag für die Opfer des Holocaust, dem 27. Januar, der in diesem Jahr der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau ist – wie um vorzuführen, dass Erinnern formelhaft und sinnentleert werden kann.
Achtet im kommenden Monat weiter auf Demonstrations-, Kundgebungs-, Veranstaltungs- etc. Ankündigungen für Dortmund oder hier auch für überall (falls gesucht) .

Tödliche patriarchale Strukturen

Femizid in Dortmund-Huckarde: Eine 32-jährige Frau, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitete, wurde letzten Sonntag in Dortmund im Stadtteil Huckarde erstochen in ihrem Wohnzimmer gefunden. Ihre Tante hatte die Polizei alarmiert, weil sie die Nichte seit Tagen nicht hatte erreichen können, und die Polizei öffnete schließlich die Wohnung.
Der mittlerweile festgenommene Tatverdächtige ist ihr Ex-Partner, von dem sie sich getrennt hatte, und die Staatsanwaltschaft Dortmund geht davon aus, dass die Trennung das Mordmotiv gewesen ist. Femizide sind in Deutschland vor allem Trennungstötungen.

Den Begriff Femizid führte die Soziologin und Feministin Diana E. H. Russell 1976 auf dem International Tribunal on Crimes against Women in Brüssel ein, das sie mit anderen Feministinnen* (im Wesentlichen der Belgierin Nicole Van de Ven) organisiert hatte. Durch die Benennung sollten tödliche Gewaltverbrechen an Frauen* – ähnlich wie rassistisch motivierte Morde – als Hassverbrechen gekennzeichnet werden, als „extreme Manifestation von männlicher Dominanz und Sexismus“. Mit Femizid bezeichnete Russell insbesondere zwei Ausprägungen von Frauen*morden: erstens „mysogynist killings“, d. h. Tötungen von Frauen* aus Hass und Verachtung, und zweitens Tötungen von Frauen*, weil diese patriarchalen Rollenvorstellungen nicht entsprechen und sich einer männlichen Macht und Kontrolle entziehen.

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