Impressionen zu Maibeginn

Die Spitze der Demonstration „Freiheit statt Patriarchat, Kapitalismus & Egoismus – Heraus zum anarchistischen 1. Mai“ in Dortmund am letzten Samstag bestand aus einem eigenen (feministischen) Block für FLINTA*- (FrauenLesbenInterNichtbinäreTransAgender*-)Personen. Wie der Kapitalismus durchdringe auch das Patriarchat jede Sphäre des alltäglichen Lebens, hieß es im Aufruf.

Die Demonstration verlässt den Westpark
Die Demonstration verlässt den Westpark

Teilgenommen haben an dem 1.-Mai-Protest – nach Infos der Veranstalter*innen – bis zu 800 Menschen, was unterwegs sicher eine realistische Zahlenangabe war, selbst wenn es am Schluss wieder weniger waren. Hier folgen nun ein paar Bildeindrücke von der Aktion.

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Demnächst wohl wirklich: raus aus Afghanistan

Nachdem die Biden-Regierung nun beschlossen hat, dass die US-Truppen bis zum 11. September 2021 – dem 20. Jahrestag der Anschläge in New York und Washington – aus Afghanistan abgezogen sein sollen, haben auch die anderen NATO-Staaten das Ende ihrer Einsätze angekündigt. Die Bundeswehr will spätestens bis Mitte August (und mittlerweile möglicherweise bereits Anfang Juli1 Deutschlandfunk: Afghanistan-Abzug: Bundeswehrsoldaten schon im Juli zurück?, Deutschlandradio, 21.04.2021, https://www.deutschlandfunk.de/afghanistan-abzug-bundeswehrsoldaten-schon-im-juli-zurueck.1939.de.html?drn:news_id=1250789.) das Land verlassen haben. Mit 1.300 Soldat_innen stellt die Bundesrepublik nach den USA derzeit noch das zweitgrößte Kontingent der insgesamt ungefähr 10.000 Soldat_innen starken NATO-Truppen.2Resolute Support Mission (RSM): Key Facts and Figures, https://rs.nato.int/rsm/newsroom/key-facts-and-figures.
Der jetzige Krieg in dem Land (es gab vorherige, dazu später) begann kurz nach den Al-Qaida-Anschlägen am 11. September 2001 mit einer Militärintervention einer US-geführten Koalition, nachdem sich die islamistischen Taliban in Afghanistan geweigert hatten, gegen das Al-Qaida-Netzwerk vorzugehen. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder warb zu dem Zeitpunkt ausdrücklich mit einem kurzen Einsatzzeitraum um Zustimmung bei den Abgeordneten und sprach davon, „ob sechs Monate ausreichen oder nicht“.3Michael Fischer (DPA): Das unvollendete Engagement, Frankfurter Rundschau, 17.04.2021.

Von Anfang an wurden in der Public Relations für die Militärintervention feministische Anliegen, wie gegen Diskriminierung, Gewalt und Zwang einzutreten, als Kriegs-/Interventionsmotivation und -legitimation instrumentalisiert. In der (damaligen) politischen Rhetorik entsprach der War on Terror in Afghanistan der Befreiung „der afghanischen Frau“ – und diese wurde wiederum häufig mit ihrer Befreiung von der Burka gleichgesetzt, dem von den Taliban verordneten, meistens blauen Kleidungsstück, das einer vollständigen Verschleierung dient.
So hielt Laura Bush, Ehefrau des US-Präsidenten George W. Bush, im November 2011 die normalerweise dem Präsidenten vorbehaltene wöchentliche Radioansprache, um explizit auf den Einsatzgrund Frauenrechte“ hinzuweisen. Der Kampf gegen den Terrorismus ist auch ein Kampf für Rechte und Würde von Frauen“, sagte sie unter anderem.4Barbara Unmüßig: Im Namen der Frauen, Heinrich-Böll-Stiftung, 18.02.2011, https://www.boell.de/de/presse/feminismus-geschlechterdemokratie-krieg-im-namen-der-frauen-11268.html.
Ebenfalls im November 2011 verband Bundeskanzler Schröder im Bundestag seine Werbung für den Militäreinsatz mit dem Thema: „Wer die Fernsehbilder von den feiernden Menschen in Kabul nach dem Abzug der Taliban gesehen hat – ich denke hier vor allen Dingen an die Bilder der Frauen, die sich endlich wieder frei auf den Straßen begegnen dürfen –, dem sollte es nicht schwer fallen, das Ergebnis der Militärschläge im Sinne der Menschen dort zu bewerten.“5Ute Scheub:Intervention in Afghanistan – was hat der Einsatz der Bundeswehr für die Frauen und Menschenrechte gebracht?, Gunda-Werner-Institut,Podiumsdiskussion Bonn 10.10.08, http://www.gwi-boell.de/sites/default/files/uploads/2014/01/ute_scheub_bonn_afghanistan_statement_2008.pdf.

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Feministische Kundgebung: Who cares?!

feminism includes trans, inter, nonbinary

Weil Montag der 8. März und also internationaler Frauen*(kampf)tag ist, fand heute an der Reinoldikirche in Dortmund eine feministische Kundgebung mit dem thematischen Schwerpunkt who cares?! – das heißt Care-Arbeit – statt. Die ursprünglich vom feministischen Kollektiv Dortmund geplante Demonstration war kurzfristig, quasi von heute auf morgen, verboten worden (Vorwände sind zurzeit leider immer und wohlfeil zur Hand; Schluss damit, solche Themen möglichst zu verstecken!).

Es wurden also mehrere Redebeiträge über feminisierte Sorgearbeit gehalten; gesprochen wurde z. B. über die Situation der Pflegefachkräfte, die bereits vor den momentanen Corona-Zeiten schlecht war und statt finanziellem Corona-Zuschlag eine Hautcremedose mit dem Aufdruck ‚Danke‘ erhalten haben, außerdem handelte der Beitrag (unter anderem) von sexualisierten Übergriffen in der Pflegearbeit. Danach ging es um Geschlecht und bezahlte Care-Arbeit, die (immer noch) hauptsächlich von als weiblich gelesenen Personen geleistet wird, sowie um die daraus resultierende Privilegierung von als männlich gelesenen Menschen in diesem Bereich als positive ‚Ausnahme‘. Eine Sexarbeiterin sprach über Sexarbeit, die ebenfalls Care-Arbeit ist, und darüber, dass feministische Solidarität Sexarbeiter*innen einschließen muss und dass eine Wohnung, in der Sexarbeit ausgeübt wird, nach dem NRW-Polizeigesetz (§ 41) ohne Gerichtsbeschluss durchsucht werden kann (die Polizei „darf“ demnach jederzeit kommen). Ein weiterer Beitrag drehte sich um die durchaus traditionelle Care-Arbeitsteilung in einem ‚alternativen‘ Wohnprojekt.

sexwork is real work
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Rosa L. 150 Jahre alt

Rosa Luxemburg, geboren am 5. März 1871 – zumindest ist er das wahrscheinliche Geburtsdatum – als Rozalia Luxenburg in Zamość, Kongresspolen, damals Russland (nun Polen), wäre heute 150 Jahre alt geworden, wenn eine denn so alt werden könnte. Tatsächlich wurde sie bereits mit 48 Jahren am 15. Januar 1919 in Berlin, mit Billigung der sozialdemokratischen Regierung um Gustav Noske und Friedrich Ebert, von Freikorps-Soldaten ermordet.

„Jetzt besitze ich zwölf vollbepackte Pflanzenhefte und orientiere mich sehr gut in der ‚heimischen Flora‘, z. B. im hiesigen Lazaretthof, wo ein paar Sträucher und üppiges Unkraut zur Freude der Hühner und der meinen gedeihen. So muß ich immer etwas haben, was mich mit Haut und Haar verschlingt, so wenig sich das für eine ernste Person ziemt, von der man – zu ihrem Pech – immer etwas Gescheites erwartet. Auch Du, Liebste, willst nichts von meinem ‚Glück im Winkel‘ hören und hast dafür nur Spott. Aber ich muß doch Jemanden haben, der mir glaubt, daß ich nur aus Versehen im Strudel der Weltgeschichte herumkreisle, eigentlich aber zum Gänsehüten geboren bin.“
Diese Zeilen schrieb Rosa Luxemburg am 18.09.1915 in einem Brief aus dem Gefängnis Barnimstraße an Louise („Lulu“) Kautsky.

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Mehr als produktive Lohnarbeit und Freizeit: eine feministische Kritik der #ZeroCovid-Initiative

Die Sehnsucht danach, dass der Spuk bald vorbei ist und alles wie früher, muss groß sein (obwohl schon zu Beginn der Ausbreitung von SARS-CoV-2 öfter festgestellt worden ist, dass solche Virenausbrüche Ergebnisse menschlicher Eingriffe in Ökosysteme sind und diese Pandemie nicht die letzte sein wird). Die Kampagne #ZeroCovid, als Initiative von emanzipativer, fortschrittlicher, linker Seite gedacht, verspricht nun eine Lösung und hat damit in kurzer Zeit ein üppiges Echo und hohe Unterstützungszahlen im Netz erreicht. Wichtige und richtige Kritiken an dem #ZeroCovid-Aufruf als Appell an den Staat (bzw. die europäischen Staaten) und an dessen autoritaristische Tendenzen – wegen der für einen europaweiten harten Shutdown notwendigen (polizeilichen oder sonstwie kontrollbehördlichen) Überwachung und Repression –  sind veröffentlicht worden. Auf die Illusion eines Ziels von „null Infektionen“ ist hingewiesen worden. Längere und kurze Beiträge1Unter anderem: Alex Demirović: Warum die Forderung nach einem harten Shutdown falsch ist, analyse & kritik, 18.01.2021, https://www.akweb.de/bewegung/zerocovid-warum-die-forderung-nach-einem-harten-shutdown-falsch-ist/; Thomas Gerlach: Vorschläge der Initiative „Zero Covid“: Halbtotalitäre Fantasie, die tageszeitung, 14.01.2021, https://taz.de/Vorschlaege-der-Initiative-Zero-Covid/!5739231/; anonym: Contra #Zero Covid, indymedia, 17.01.2021, https://de.indymedia.org/node/133590; ak unknown desires: One solution! Zero Covid?, indymedia, 20.01.2021,https://de.indymedia.org/node/134861. sind dazu verfasst worden, in verständnisvollem und in sehr scharfem Ton.

Deshalb soll es hier um andere Aspekte gehen.

„Maßnahmen können nicht erfolgreich sein, wenn sie nur auf die Freizeit konzentriert sind, aber die Arbeitszeit ausnehmen“, heißt es einfach und griffig in dem Aufruf. Auch die Zeitung analyse & kritik titelt in ihrer neuesten Ausgabe „Das Freizeitvirus“2Nelli Tügel: Das Freizeitvirus, analyse & kritik Nr. 667, 19.01.2021. und die Autorin beanstandet, „das Privatleben“ werde Stück um Stück eingeschränkt, während „Menschen nach wie vor in Fabrik und Büro gehen“. Natürlich ist es unsinnig, Wirtschaftsbereiche per se vom Lockdown auszunehmen.
Bloß ist „das Private“ ebenso (nicht erst seit gestern) politisch und gerade dort wird (unentgeltlich und isoliert) zurzeit Mehrarbeit geleistet. Schulen, Kitas, andere Tages- und Betreuungseinrichtungen sind geschlossen und bezahlte Arbeit ist teilweise in die Wohnung verlagert. Also: Mehr Dreck wegmachen, die familiäre Versorgung organisieren, die Kinder beschäftigen, als Heimlehrkräfte arbeiten, alte Menschen betreuen, nebenbei lohnarbeiten … und das Ganze klassenabhängig in weniger oder mehr beengten Räumen, d. h. eventuell in einem Dampfkessel, in dem die Familie (oder auch die Partnerschaft) alles richten soll3Ganz im Sinn dieser Familienorientierung betrafen die Weihnachts-Corona-Sonderregeln nur zusätzliche Personen „aus dem engsten Familienkreis“, ohne dass viele Proteste dagegen zu hören oder zu lesen waren. Menschen, die hier keine Angehörigen haben, aus persönlichen Gründen die Kontakte zum „Familienkreis“ abgebrochen haben oder sich einfach lieber mit Freund*innen treffen wollten, wurden also von der Vergünstigung eines erweiterten Personenkreises ausgeschlossen. (falls die Person nicht alleinerziehend oder auch alleinpflegend ist). Bereits im letzten Frühjahr während des ersten Lockdowns wurde mehrfach eine Retraditionalisierung geschlechtlicher Rollenzuweisungen und Arbeitsteilungen durch solche Pandemie-Bedingungen beklagt.
Und daneben ist die Trennung in Arbeit und Freizeit – als lockeres Einmal-etwas-anderes-Tun – zu einfach; Gesellschaften sind Strukturen und bestehen nicht aus monolithischen Blöcken. Die nicht mehr erlaubte Freizeit (das Essengehen, die Urlaubswoche, auch im Billighotel, der Sportverein der Kinder) entspricht häufig einer nicht selbst zu leistenden reproduktiven Arbeit, die jetzt „im Privaten“ zu ersetzen ist.

Soll das alles nun wieder altruistische Tätigkeit aus Liebe sein? Nachdem der #ZeroCovid-Aufruf diese Tätigkeiten zunächst überhaupt nicht als Arbeit betrachtet, wird weiter unten angemerkt, dass Menschen, die im Shutdown „besonders viel“ Betreuungsarbeit leisten, „durch gemeinschaftliche Einrichtungen entlastet werden“ sollen. Es wird also ein teilweises Durchbrechen des Shutdowns zugestanden. Na dann, und wie viel „besonders viel“ soll dafür zu leisten sein (wie viele Kinder in welchem Alter sind erforderlich), um diese Care-Aufgaben als Arbeit zu verstehen?
Insgesamt handelt es sich in dem Aufruf um eine abwegige Vorstellung von Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen. Das kapitalistische Arbeitsverhältnis schließt (zumindest in den Metropolen) die seit dem 19. Jahrhundert im Familienmodell ausdrücklich weiblich konnotierten (hausfrauisierten) reproduktiven Tätigkeiten ein; in einer Bezugnahme auf ‚Arbeit“ können sie nicht einfach übergangen werden. Der Aufruf schreibt aber die weiterhin häufige Nicht(an)erkennung oder Entwertung von Reproduktionsarbeit fort (die sich in vergangenen Jahren teils (zusätzlich) mit einer Herkunftszuschreibung (sprich: wer putzt für wen?) verbunden hat).

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