Fünf Wochen nach den ersten Berichten über die „Panama Papers“ hat nun Montagabend das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) Daten über Hunderttausende Briefkastenfirmen veröffentlicht und eine interaktive Datenbank mit Informationen über Unternehmen, Treuhandfonds und Stiftungen in 21 Steueroasen ins Netz gestellt. Bereits vor etwa einem Monat setzten sich Chiara Capraro und Francesca Rhodes auf OpenDemocracy mit den Panama Papers als feministischem Thema auseinander. Schattenfinanzwirtschaft und Steuerflucht und dadurch fehlende öffentliche Mittel betreffen Frauen* überproportional, schreiben sie, sie verlagern die Steuerlast, bedrohen den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und erhöhen die mit unentgeltlich geleisteter Care-Arbeit verbrachte Zeit. „Nachgereicht: Why the Panama Papers are a feminist issue“ weiterlesen
EU, heute
Heute haben mit den ersten 202 geflüchteten Menschen die Rückschiebungen von den griechischen Inseln in die Türkei begonnen, die zwischen der Europäischen Union und der Türkei vereinbart worden sind (zunächst einmal drei und letztlich bis zu sechs Milliarden Euro hat die EU der Türkei dafür zugesagt). Dass die Türkei wiederum aus Syrien Geflüchtete massenhaft dorthin zurücktransportiert, hatte erst vor einigen Tagen Amnesty International festgestellt (unter den seit Januar willkürlich aufgegriffenen und nach Syrien abgeschobenen Menschen befand sich unter anderem eine im achten Monat Schwangere). Schon davor war berichtet worden, dass afghanische Asylsuchende aus der Türkei ohne jede Prüfung der Fluchtgründe zurückgeschoben worden waren.
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben schrieb über Hannah Arendts Betrachtungen zu Flüchtlingen als ‚Krise’ (allerdings als ‚radikale Krise der Menschenrechte’): „Das Paradox, von dem sie [Hannah Arendt] hier ausgeht, besteht darin, daß die Figur – der Flüchtling –, die den Menschen der Menschenrechte schlechthin hätte verkörpern sollen, stattdessen die radikale Krise dieser Konzeption bezeichnet. ‚Der Begriff der Menschenrechte, der auf einer angenommenen Existenz des Menschen als solchem basiert, brach in dem Augenblick zusammen, als diejenigen, die sich zum Glauben daran bekannten, zum ersten Mal mit Leuten konfrontiert waren, die wirklich alle ihre anderen Eigenschaften und spezifischen Beziehungen verloren hatten – außer daß sie immer noch Menschen waren.‘ Im System des Nationalstaates erweisen sich die sogenannten heiligen und unveräußerlichen Menschenrechte, sobald sie nicht als Rechte eines Staatsbürgers zu handhaben sind, als bar allen Schutzes und aller Realität.“ „EU, heute“ weiterlesen
Open the borders
China: erstes Gewaltschutzgesetz
Das erste Gesetz zum Schutz vor Gewalt in Paarbeziehungen in China ist heute in Kraft getreten. Einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom Herbst letzten Jahres zufolge ist das neue Gesetz im Wesentlichen dem Druck chinesischer Nichtregierungsorganisationen und einer UN-Veranstaltung zu verdanken. Nach der UN-Weltfrauenkonferenz und dem parallelen NGO-Forum 1995 in Peking waren in China Nichtregierungsorganisationen entstanden, die sich um Gewaltopfer kümmern und nach und nach den Druck auf die Politik erhöhten, so dass die Zentralregierung nun reagieren musste. Auch wollte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 20 Jahre nach der UN-Konferenz bei einer Veranstaltung der UN-Organisation für Gleichstellung (UN Women) im September 2015 wohl nicht mit leeren Händen dastehen und hatte wohl deshalb den Gesetzentwurf im Gepäck.1Matthias Müller: Häusliche Gewalt in China. Die Chinesinnen begehren auf. Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2015; http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/chinas-frauen-begehren-auf-1.18622901. „China: erstes Gewaltschutzgesetz“ weiterlesen
Geboren vor 85 Jahren: die Schriftstellerin Flora Nwapa
Florence Nwanzuruahu Nkiru Nwapa, in Oguta im Südosten Nigerias vor 85 Jahren geboren – am 13. Januar 1931 – als Autorin unter dem Namen Flora Nwapa bekannt, gilt als „Mutter der modernen afrikanischen Literatur“. Im Jahr 1966 erschien in englischer Sprache ihr Debütroman Efuru (Deutsch: Efuru, Göttingen 1997), der als erster Roman einer Frau aus Westafrika internationale Anerkennung fand und die komplexe Lebenssituation der Igbo-Frauen literarisch darstellte.
Flora Nwapa arbeitete zunächst im Erziehungswesen und später in der staatlichen Verwaltung. Nach der Herausgabe ihres zweiten Romans (Idu, 1970) war sie mit dem Vertrieb ihrer Bücher durch den veröffentlichenden britischen Verlag unzufrieden und gründete 1974 mit Tana Press ihren eigenen Verlag. 1977 folgte mit Flora Nwapa Books ein weiterer Verlag. Neben der Veröffentlichung ihrer eigenen Werke in diesen beiden Verlagen, darunter mehrere Kinderbücher, förderte sie als Verlegerin insbesondere unbekannte afrikanische Autorinnen. „Geboren vor 85 Jahren: die Schriftstellerin Flora Nwapa“ weiterlesen
(Lesenswerteres zu) Köln – oder: wie sexualisierte Gewalt zur Förderung von Rassismus instrumentalisiert wird
Die sexualisierte Gewalt in der Silvesternacht in Köln vor dem Hauptbahnhof macht momentan bei dem Thema für Feministinnen* recht ungewohnte Schlagzeilen. Das liegt wohl daran, dass jetzt wieder „gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen in muslimischer Kultur“ ausgemacht werden können (und Biodeutsche anscheinend nicht sexualisiert gewalttätig werden).
Hier folgen nun Links zu mehreren lesbaren Kommentaren zur Medienaufregung und Hetze im Netz:
Die Rape Culture wurde nicht nach Deutschland importiert – sie war schon immer da. Stefanie Lohaus und Anne Wizorek erklären auf Vice: „Ein in Sachen sexualisierter Gewalt halbwegs sensibilisierter Mensch kann sich dieser Tage nur verwundert die Augen reiben—wenn er nicht schon vor Wut schäumt. Die Gewalt am Kölner Hauptbahnhof als singuläres Ereignis darzustellen, als Ausnahme, die von außen über das „gute Deutschland“ hereingebrochen ist, schadet von Gewalt Betroffenen mindestens so sehr wie die Verwendung des Begriffs „Antanzen“ für die Art der Übergriffe.“ „(Lesenswerteres zu) Köln – oder: wie sexualisierte Gewalt zur Förderung von Rassismus instrumentalisiert wird“ weiterlesen