’N Scheiß ist das: Krieg

Nichts rechtfertigt diese Offensive oder die Bombardierungen – genauso, übrigens, wie nichts sie etwa im vergessenen Jemen rechtfertigt –, mit denen die russische Putin-Regierung die imperiale Gleichrangigkeit mit den Nato-Staaten militärisch herstellen (oder beweisen) will. Besonders die ukrainische Bevölkerung wird unter dem Kampf um Vorherrschaft, in dem die Ukraine Verhandlungsmasse geworden ist, stark leiden müssen und dann alle, die den Krieg sonst bezahlen (z. B. durch höhere Energiekosten, ohne sie finanzieren zu können), auch in Russland.
(Hartz-IV-Empfänger*innen und Menschen in ähnlicher Lage müssen entschädigt werden! Das nur als Zwischenbemerkung.)
Aber unabhängig davon sollten wir jetzt hier (ebenfalls) genau hinsehen: Denn anders als oft behauptet wird, ist der Angriff nicht der erste Krieg in einem sonst seit dem II. Weltkrieg friedlichen Europa, sondern die Kommentator*innen vergessen bloß zu gerne den Kosovo-Krieg der Nato im Jahr 1999.
Während also geredet wird, als hätte es die damalige Militärintervention unter Beteiligung der Bundeswehr nie gegeben, wird parallel mit den Rüstungsbeschlüssen der Bundesregierung über ein ‚Sondervermögen‘ von 100 Milliarden € an zusätzlichen Militärausgaben die Gesellschaft (weiter) militarisiert, die Rüstungsspirale hochgedreht. Und wenn die Ukraine von Wirtschaftsminister Habeck außerdem (mit seiner Rede von ihrer „militärischen Vergewaltigung“) weiblich aufgeladen wird und er sich/den Westen als Beschützer anbietet, spricht er deutlich in traditionellen Stereotypen militärischer Legitimation.

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Aufklärung und Konsequenzen

Aus rassistischen Motiven waren am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen erschossen worden. Deshalb wurde am Samstag dort und in vielen anderen Städten (auch in Dortmund oder Bochum) anlässlich des zweiten Jahrestags der Morde an die Opfer erinnert.

#SayTheirNames
#SayTheirNames: Aufkleber mit den Namen der Ermordeten

Serpil Temiz Unvar, die ihren Sohn Ferhat Unvar durch den rassistischen Angriff verlor, veröffentlichte bereits zwei Tage vor dem Gedenktag einen offenen Brief an die Bundesregierung und den Bundespräsidenten – in dem sie schrieb, die Angehörigen hätten auf ihre Fragen noch immer keine Antworten erhalten. Fast zwei Jahre lang seien sie „von den Verantwortlichen in Hessen mit Worten vertröstet, aber doch wie Menschen zweiter Klasse behandelt“ worden. Wenn es nun „eine kleine Chance“ gebe … „dann nur, weil wir seit 2 Jahren jeden Tag kämpfen, anstatt in Ruhe trauern zu können. … Es wird keine bessere Zukunft geben, wenn das Vergangene nicht aufgeklärt wird, wenn es keine Gerechtigkeit gibt für die, die angegriffen und ermordet wurden. Denn das Vergangene lebt in uns allen fort, in den Hinterbliebenen und Zurückgelassenen, aber auch in der Geschichte unserer Gesellschaft. Und wenn wir über mangelnde Aufklärung sprechen, dann geht es um mehr als um Hanau, dann müssen wir auch über die Aufklärung der rassistischen Taten der letzten 30 Jahre sprechen.“ (Um die z. B. auch in Dortmund die Angehörigen des NSU-Opfers Mehmet Kubaşık seit Jahren kämpfen, ließe sich hier hinzufügen.)

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Nachlese(n): Care, Krise, Covid-19

Es ist auffällig, dass die meisten der gefundenen Texte bereits 2020 entstanden sind; eine Gewöhnung hat eingesetzt, die Pandemie-Situation ist in vielem gleich geblieben (obwohl kein Lockdown mehr besteht), z. B. der Druck auf Pflegepersonal, oder es ist zu mühsam, den sich ständig ändernden Maßnahmen feministisch-kritisch hinterherzuschreiben. Vielleicht ist auch die Hoffnung, dass sich gerade jetzt Verhältnisse verbessern lassen, weil die oft unsichtbare Care-Arbeit sichtbarer geworden (und zeitweilig als systemrelevant bezeichnet worden) ist, inzwischen ganz, ganz klein geworden.
Das (damals) Geschriebene behandelt unter anderem die intensivierte Gewalt gegen Frauen*/LGBTI*+, (retraditionalisierte) Geschlechterrollen in der Reproduktionsarbeit, Care-Berufe, Ausgrenzungen aus einer vorgeblichen gesellschaftlichen Solidarität, etwa von Geflüchteten, und manchmal allgemein, prekäre Arbeitsverhältnisse.

+++ Hier sind nun einige Beispiele: Mehrere sehr kurze Texte gibt es auf dem Covid 19 – Center Blog des Cornelia Goethe Centrums, in denen es auch um 24-Stunden-Pflegekräfte in Haushalten geht (ein selteneres Thema), das L.MAG setzt sich mit negativen Auswirkungen auf die LGBTI*-Community auseinander, das feministische Streikkollektiv Zürich sucht eine feministische Antwort auf Corona und die Kapitalismuskrise (ebenfalls auf Englisch und Spanisch), ein langes Papier von e*vibes (Dresden) befasst sich ausführlicher mit einzelnen Backlash-Aspekten.

Banner: Ohne Care-Arbeit steht alles still
(Foto: feministisches Streikkollektiv Zürich)

Ebenfalls anderswo und in globalerem Maßstab verstärken die Pandemie-Auswirkungen (die sexismus-, neokolonialismus-, rassismus-, kapitalismusgemacht etc. sind; momentan verstärkt sich auch der Eindruck, das muss extra gesagt werden) rapide die Ungleichheiten innerhalb eines umfassenden Gefälles. Ausschlüsse aus Gesundheits- und anderen (über-)lebensnotwendigen Leistungen, zu denen hier doch viele (aber nicht alle) Zugang haben, rücken ins Licht.

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für ein besseres Zweitausendzweiundzwanzig

(falls unklar ist, worum es sich handelt: Foto von grauem Karton/feministisches Symbol)

Mutlu yıllar ▪ un felice anno nuovo ▪ كل عام وأنتم بخير ▪ un an nou fericit ▪ честита Нова година ▪ bonne année ▪ καλή χρονιά ▪ happy new year ▪ un feliz año nuevo ▪ с Новым годом ▪ ein gutes neues Jahr!

Noch Ergänzungen und Links

… zum vorhergehenden Beitrag, weil es doch sehr eigenartig war, über die Verfolgung der Dortmunder Sinti*ze und Rom*nja in der NS-Zeit online nichts zu finden – sonst ist das Netz allgemein genutzte Veröffentlichungsmöglichkeit und Informationsquelle, wenn auch nicht immer die zuverlässigste – und offline, also auf Papier, lediglich den (woanders als Buchkapitel verdoppelten) Beitrag zu der Ausstellung Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945.1Günther Högl (Hrsg.): Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945. Katalog zur ständigen Ausstellung des Stadtarchivs Dortmund in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Dortmund 2002. Also wenig, über 75 Jahre! danach, in denen Vorurteile, Stigmatisierung und Ausschluss (inkl. polizeilicher und rassistischer Erfassungsakten) oft unverändert übernommen wurden. Dadurch ist offensichtlich nicht nur eine frühere Anerkennung des Genozids, sondern auch eine umfassende Erforschung und Aufarbeitung der Verbrechen gegen Sinti*ze und Rom*nja verhindert worden.
Noch ein wenig genauer beleuchten lässt sich aber durch ein Buchprojekt über die NS-Kriminalpolizei Düsseldorf2Bastian Fleermann (Hrsg.): Die Kommissare. Kriminalpolizei in Düsseldorf und im rheinisch-westfälischen Industriegebiet (1920-1950), Düsseldorf 2018. die Position der Kriminalpolizeistelle Dortmund, die z. B. 1942 schon vor dem sogenannten Auschwitz-Erlass mit Gemeinden/Bezirken aus ihrem Zuständigkeitsbereich Pläne für eine „Umsiedlung“ bzw. Deportation von Sinti*ze und Rom*nja schmiedete3Dr. Karola Fings: Gutachten zum Schnellbrief des ReichssicherheitshauptamtesTgb. Nr. RKPA. 149/1939 -g-vom 17.10.1939 betr.Zigeunererfassung“ („Festsetzungserlass“), Köln, Januar 2018, S. 9, https://zentralrat.sintiundroma.de/download/11145. oder auch bei der Deportation aus Berleburg 1943 (im vorherigen Beitrag erwähnt) mitmischte.

In das NS-Regime war die Kriminalpolizei – in Kriminalpolizeileitstellen und Kriminalpolizeistellen organisiert, von denen sich eine in Dortmund befand – als Organ eingebunden, das angebliche „Gewohnheitsverbrecher*innen“, „Arbeitsscheue“, Obdachlose, Wanderarbeiter*innen, Homosexuelle, Sexarbeiter*innen oder Sinti*ze und Rom*nja verfolgte. Das heißt, die Kriminalpolizei war eine entscheidende Stelle (unter anderem) für die Porajmos-Umsetzung.
Der Kriminalpolizei Dortmund war die Kriminalpolizeileitstelle in Düsseldorf übergeordnet, deren Zuständigkeitgebiete das nördliche Rheinland sowie die gesamte Provinz Westfalen abdeckten; in ihrem Einzugsgebiet lebten neun Millionen Menschen. Der Bereich der Dortmunder Kriminalpolizei umfasste davon wiederum den südlichen Teil des damaligen Regierungsbezirks Minden (d. h. von Ostwestfalen), den Regierungsbezirk Arnsberg ohne den Ennepe-Ruhr-Kreis und mehrere Stadtkreise.4Nach: Bastian Fleermann: Die NS-Zeit 1933-1938. Die Düsseldorfer Polizei im Nationalsozialismus, in: Bastian Fleermann (Hrsg.): Die Kommissare. Kriminalpolizei in Düsseldorf und im rheinisch-westfälischen Industriegebiet (1920-1950), Düsseldorf 2018, S. 108 ff.

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„stets rechtzeitig der Unmenschlichkeit entgegenzutreten“

„Den Lebenden zur Mahnung, …“ nimmt das Wandbild an der Ecke Weißenburger Straße/Gronaustraße die Inschrift auf dem davor stehenden Gedenkstein1Die Inschrift auf dem Gedenkstein lautet: „Vom ehemaligen Ostbahnhof aus, dessen Gelände sich früher in unmittelbarer Nähe befand, wurden am 9. März 1943 Sinti und Roma aus Dortmund und Umgebung in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Zum ehrenden Gedenken an die Ermordeten und den Lebenden zur Mahnung, stets rechtzeitig der Unmenschlichkeit entgegenzutreten.“ auf, der an die aus Dortmund in das Konzentrationslager Ausschwitz-Birkenau deportierten Sinti*ze und Rom*nja erinnert. Am 2. August, bei einer Gedenkveranstaltung zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für die Hunderttausende ermordeten Sinti*ze und Rom*nja, wurde auch die Wandgestaltung der Künstlerin Anna Hauke eingeweiht. Wegen häufigem Regen war der Text da noch nicht fertiggestellt, aber mittlerweile ist er komplett.

Wandmalerei an der Ecke Weißenburger Straße/Gronaustraße hinter dem Gedenkstein

Der Gedenktag ruft (stellvertretend für die diesem Genozid zum Opfer Gefallenen) die letzten ungefähr 4.300 noch im Konzentrations- und Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau lebenden Sinti*ze und Rom*nja in Erinnerung, die in der Nacht vom 2. August auf den 3. August 1944 trotz ihres Widerstands in die Gaskammern getrieben und ermordet wurden. Am 9. März 1943 waren (nach dem Auschwitz-Erlass von Dezember 1942) vom früheren Dortmunder Ostbahnhof aus ebenfalls Sinti*ze und Rom*nja aus Dortmund und Umgebung in das Zigeunerlager Birkenau verschleppt worden. Über die von hier Deportierten selbst, die Ermordeten und Überlebenden, ist (zu) wenig bekannt; sicherlich erklärt sich dies großenteils aus den in der Bundesrepublik nahtlos fortbestehenden Abwertungs-, Vertreibungs- und Diskriminierungspraxen.

Bereits vor den Ausschwitz-Deportationen 1943 war auch in Dortmund die Erfassung und sogenannte Festsetzung der Sinti*ze und Rom*nja vorangetrieben worden und in einigen Stadtteilen waren Zwangsunterkünfte eingerichtet worden, deren Verlassen nach dem Festsetzungserlass mit Konzentrationslager-Einweisung bedroht war.
Zeitweise waren Sinti*ze und Rom*nja – aufgrund der ihnen rassistisch zugeschriebenen Eigenschaften – mit anderen „abweichenden“ Gruppen (wie auch die Jenischen) als „Asoziale“ (die Zuschreibungen überschnitten sich, auch mit politisch Verfolgten) deportiert worden; andererseits waren mit ihnen lebende Nicht-Sinti*ze gleichfalls von Deportation bedroht. In einem Verfahren um Verfolgung und Wiedergutmachung argumentierte das Landgericht Dortmund 1951, die Ehefrau des Antragstellers sei keine Sintiza gewesen, sie „wurde also nicht wegen ihrer Rassezugehörigkeit ergriffen, sondern weil sie wie eine Zigeunerin … lebte“.2Zitiert nach Günther Högl (Hrsg.): Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945. Katalog zur ständigen Ausstellung des Stadtarchivs Dortmund in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Dortmund 2002, S. 441. (Das „wie“, im Original unterstrichen, ist hier fett dargestellt, um die Verwechslung mit einer Verlinkung zu vermeiden.) Eine Entschädigung (für den Verlust der Familie und der Existenz) wurde abgelehnt.
Bei der Verweigerung von Wiedergutmachung für Sinti*ze und Rom*nja wurden Maßnahmen oft nach 1945 weiterhin als „legitim“ ausgelegt, als wären Verfolgung und Emordung durch das der als Zigeuner konstruierten Bevölkerung3„Für den Großteil der Sinti und Roma handelt es bei dem Begriff um ein „Schimpf- und Schmähwort“, das direkt mit der Diskriminierung, Verfolgung und schließlich auch Ermordung von Angehörigen der Minderheit im Nationalsozialismus zusammenhängt: zwischen 1993 und 1945 entschied die Tatsache, wer in den Augen der Nationalsozialisten und ihrer Kollaborateure als »Zigeuner« zu gelten hatte, über Inhaftierung, Sterilisation und letztendlich auch über Leben und Tod. In diesem Sinne ist der Begriff nicht nur eine Fremdbezeichnung, sondern eine im Zuge der Umsetzung des Völkermords an Sinti und Roma … entscheidende Kategorie: eine Täterkategorie.“ Christian Gerhard Kelch: Dr. Hermann Arnold und seine »Zigeuner«. Zur Geschichte derGrundlagenforschunggegen Sinti und Roma in Deutschland unter Berücksichtigung der Genese des Antiziganismusbegriffs (Dissertation), Universität Erlangen-Nürnberg, 2017, S.31, https://opus4.kobv.de/opus4-fau/files/14576/DissertationChristianGKelch2017_07_19.pdf. „eigene Wesen“ verursacht worden. Solche fortbestehenden Strukturen/Diskreditierungen produzierten Schweigen und (ebenso, wie oben gesagt) heutige gravierende Aufarbeitungslücken.

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