Feministischer Frühling, hoffentlich [Ausblick auf den 8. März]

Kurz zum um die Ecke wartenden achten März, der natürlich intersektional queer-feministisch wird, mit vielen Schwerpunkten jedenfalls und an vielen Orten weltweit.
A la calle contra la ofensiva patriarcal! (Auf die Straße gegen die patriarchale Offensive!), ruft in Chile etwa die Coordinadora Feminista 8M auf und fragt unter anderem ¿Dónde está Julia Chuñil? (Wo ist Julia Chuñil?) – denn am 8. März wird Julia Chuñil Catricura, Mapuche und Aktvistin, seit genau vier Monaten spurlos verschwunden sein. Die 70-Jährige lebte in einem einfachen Holzhaus in der Región de Los Ríos im chilenischen Süden als Besetzerin auf dem Land eines Großgrundbesitzers. In Chile sehen jetzt viele die Ursache ihres Verschwindens in dem Konflikt um das Fleckchen Erde, auf dem sie lebte – als Teil des Lands, von dem die Mapuche durch europäische Siedler*innen seit Ende des 19. Jahrhunderts gewaltsam vertrieben worden waren.1Malte Seiwerth: Chile: Die Landfrage und die Frage nach einer verschwundenen Mapuche, amerika21, 01.03.2025, https://amerika21.de/analyse/274047/wo-ist-julia-chunil.
In Argentinien waren bereits am 1. Februar zwei Millionen Menschen auf den Straßen, um gegen die Hetzrede des ultrarechten Präsidenten Milei beim Weltwirtschaftsforum in Davos gegen Queer-Feminismus und LGBTIQ+-Personen2Sophia Boddenberg: Feminismus und LGBT in Argentinien: „Unser Leben ist in Gefahr“, die tageszeitung, 01.02.2025, https://taz.de/Feminismus-und-LGBT-in-Argentinien/!6063247/. zu protestieren, und am 8. März sind ebenfalls große Demonstrationen zu erwarten – dieses Jahr unter dem Motto „gegen den Betrüger Milei“.

„Feministischer Aufstand“ – Nordstadt Dortmund, Blücherpark
(Geplante Veranstaltungen/Aktionen in Bochum/Dortmund zum 8. März findet ihr weiter unten im Text.)
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Machtbesessenheit, Opportunismus, rassistische Hetze, sonst nichts

In Dortmund versammelten sich am Donnerstagabend kurzfristig mobilisiert erfreulicherweise 5.000 Menschen (die Polizei hatte 500 Teilnehmende erwartet), um gegen das Gemeinsame-Sache-machen der CDU und der trittbrettfahrenden FDP mit der (neo)nazistischen Afd zu demonstrieren.

Teilnehmende und Redebeiträge kritisierten das Zusammenspiel mit der AfD, aber auch die Couleur des Mittwoch im Bundestag verabschiedeten – übrigens verfassungs-1Neben internationalen bzw. europäischen Schutzmöglichkeiten besteht ein im Grundgesetz verankertes Asylrecht (Art. 16a GG). Dessen Anwendungsbereich wurde allerdings 1993 durch eine Verfassungsänderung so weit eingeschränkt, dass es es kaum noch besteht (siehe u. a.: Informationsverbund Asyl & Migration: Asylrecht nach dem Grundgesetz (Stand: Januar 2023), https://www.asyl.net/themen/asylrecht/schutzformen/asylgrundrecht). und europarechtswidrigen – Merz-CDU-Plans und andere Parteiinhalte, denn wodurch die Vorlage AfD-(und FDP-)zustimmungsfähig geworden ist, wird durch das AfD-Problem leicht vergessen: Gesetzt wurde auf rassistische Ununterscheidbarkeit, das heißt: Menschenverachtung, Hetze und Hass. (Das soll kein Lob für SPD und Grüne sein, die in geringerem Maß ebenfalls rechte Narrative kopiert haben.) Obwohl der zweite Akt, das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, heute im Bundestag gescheitert ist und Merz‘ Machtkalkül damit nicht aufgegangen ist (an der Afd hat das nicht gelegen), lässt sich für die Zukunft und auch andere Themen wie Selbstbestimmung über weibliche oder trans Körper Schlechtes ahnen. Und das alles geschieht unmittelbar nach dem Gedenktag für die Opfer des Holocaust, dem 27. Januar, der in diesem Jahr der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau ist – wie um vorzuführen, dass Erinnern formelhaft und sinnentleert werden kann.
Achtet im kommenden Monat weiter auf Demonstrations-, Kundgebungs-, Veranstaltungs- etc. Ankündigungen für Dortmund oder hier auch für überall (falls gesucht) .

Tödliche patriarchale Strukturen

Femizid in Dortmund-Huckarde: Eine 32-jährige Frau, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitete, wurde letzten Sonntag in Dortmund im Stadtteil Huckarde erstochen in ihrem Wohnzimmer gefunden. Ihre Tante hatte die Polizei alarmiert, weil sie die Nichte seit Tagen nicht hatte erreichen können, und die Polizei hatte schließlich die Wohnung geöffnet.
Der mittlerweile festgenommene Tatverdächtige ist ihr Ex-Partner, von dem sie sich getrennt hatte, und die Staatsanwaltschaft Dortmund geht davon aus, dass die Trennung das Mordmotiv gewesen ist. Femizide sind in Deutschland vor allem Trennungstötungen.

Den Begriff Femizid führte die Soziologin und Feministin Diana E. H. Russell 1976 auf dem International Tribunal on Crimes against Women in Brüssel ein, das sie mit anderen Feministinnen* (im Wesentlichen der Belgierin Nicole Van de Ven) organisiert hatte. Durch die Benennung sollten tödliche Gewaltverbrechen an Frauen* – ähnlich wie rassistisch motivierte Morde – als Hassverbrechen gekennzeichnet werden, als „extreme Manifestation von männlicher Dominanz und Sexismus“. Mit Femizid bezeichnete Russell insbesondere zwei Ausprägungen von Frauen*morden: erstens „mysogynist killings“, d. h. Tötungen von Frauen* aus Hass und Verachtung, und zweitens Tötungen von Frauen*, weil diese patriarchalen Rollenvorstellungen nicht entsprechen und sich einer männlichen Macht und Kontrolle entziehen.

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They said they could…

zwei Frauen auf einer Bühne, aktobatische Figur

so they did!

Mutlu yeni yıllar ▪ كل عام وأنتم بخير ▪ szczęśliwego nowego roku
▪ un an nou fericit ▪ un feliz año nuevo ▪ честита Нова година ▪ bonne année ▪ καλή χρονιά ▪ un felice anno nuovo ▪ happy new year ▪ ein gutes neues Jahr

Wer das Messer in der Hand hält,

…das ist der springende Punkt: Mouhamed Lamine Dramé, ein 16-jähriger Geflüchteter aus dem Senegal, der in Dortmund in einer Jugendhilfeeinrichtung lebte, wurde bei einem furchtbaren Polizeieinsatz im August 2022 nach Tränengas- und Taser-Einsatz mit einer Machinenpistole erschossen. Der Getötete war suizidgefährdet und richtete zu dem Zeitpunkt, als die Polizei (mit zwölf Personen) in der Jugendeinrichtung eintraf, ein Küchenmesser gegen sich selbst.
Alle beteiligten Polizist*innen wurden gestern vom Landgericht Dortmund freigesprochen1Matthias Monroy: Dramé-Prozess: Tödlicher Polizeieinsatz bleibt komplett straflos, nd, 12.12.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187490.mouhamed-drame-drame-prozess-toedlicher-polizeieinsatz-bleibt-komplett-straflos.html.; ein Urteilsspruch, der Polizeigewalt – bis hin zur willkürlichen Tötung – erneut konsequenzlos (zu)lässt. Denn obwohl nie eine Gefahr von Mouhamed Dramé ausging (was selbst Staatsanwaltschaft und Richter zugaben), wurde über das Messer in seiner Hand eine „irrtümliche“ Notwehrsituation konstruiert, die die polizeiliche Angriffsplanung und Erschießung rechtfertigen soll.

In einem Interview im März redete Christina Clemm, Rechtsanwältin und Buchautorin, mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) über die gesellschaftliche Alltäglichkeit geschlechtsbezogener Gewalt – und in diesem Zusammenhang über einen tatsächlichen Messerangriff:
Ich hatte eben ein Verfahren, da hat ein Mann mehrfach auf seine Frau eingestochen. Wäre das auf der Strasse zwischen zwei Fremden passiert, hätte die Polizei selbstverständlich den Tatort abgesperrt, Spuren gesichert, das Messer als Tatwaffe beschlagnahmt, womöglich einen Haftbefehl beantragt. Bei meinem Fall ist nichts davon passiert, obwohl die Polizei zur Stelle war. Als ich den Polizeibeamten direkt fragte, warum diese Massnahmen nicht ergriffen worden seien, sagte er mir: «Wir haben solche Einsätze dreimal am Tag. Das war nichts Besonderes für uns2Nadine A. Brügge (Interview mit Christina Clemm: «Viele kennen die Statistik, wonach in Deutschland alle drei Tage eine Frau durch ihren Partner getötet wird. Aber es wird hingenommen», Neue Zürcher Zeitung, 27.03.2024, https://www.nzz.ch/feuilleton/femizide-interview-mit-der-anwaeltin-christina-clemm-ld.1823129.
(Das Interview ist übrigens auch sonst lesenswert.)

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