Gestern Abend kamen auf dem Friedensplatz in Dortmund ungefähr hundert Personen zu einer Kundgebung gegen queer- und besonders transfeindliche Gewalt und zum Gedenken an Malte C. zusammen. Malte C., ein 25-jähriger trans Mann, war dazwischengetreten, als beim Christopher-Street-Day-Fest in Münster zwei andere Teilnehmende beleidigt worden waren, und deshalb niedergeschlagen und tödlich verletzt worden.
Anfang dieses Monats und nur einen Tag, nachdem er schließlich seinen Verletzungen erlegen war, wurde dann in Bremen eine trans Frau in einer Straßenbahn beschimpft und geschlagen. Als Antwort auf diese und andere Attacken (in Dortmund wurden etwa nach der CSD-Warm-Up-Party Ende August Beteiligte angegriffen und bei der Pride Parade versuchten Neonazis zu stören) fand jetzt die gestrige Kundgebung statt.
Nach einer Pressemittteilung des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland(LSVD) von Montag ist einem aus Pakistan geflüchteten schwulen Mann trotz der dortigen drastischen Gesetze eine Abschiebung angekündigt worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) war einem Bescheid von Februar zufolge bei der Prüfung von Abschiebehindernissen für den Geflüchteten zu dem Schluss gelangt, er müsse schließlich seine Homosexualität in Pakistan nicht offen leben. Es scheint dem BAMF auch weiterhin egal zu sein, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2013 festgestellt hatte, es dürfe von Asylantragstellenden keine Geheimhaltung oder Zurückhaltung beim Ausleben ihrer sexuellen Orientierung im Herkunftsland verlangt werden, um einer Verfolgungsgefahr zu entgehen. Und dass das mittlerweile auch das Bundesverfassungsgericht bekräftigt hat.
„In dem genannten Fall führt die BAMF-Entscheiderin sogar aus, dass ein öffentliches Leben als schwuler Mann in Pakistan gefährlich ist. Im Verfolgerstaat Pakistan kann Homosexualität mit der Todesstrafe1Zur gesetzlichen Lage in Pakistan gibt Schweizer Flüchtlingshilfe an (11.06.2015): „Gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen sind in Pakistan gesetzlich verboten. … Der Artikel 377 legt fest, dass freiwilliger und ‚unnatürlicher‘ Geschlechtsverkehr mit einem Mann, einer Frau oder einem Tier mit Haft von mindestens zwei Jahren bis lebenslänglich sowie mit einer Busse bestraft wird. Häufig werden zwei weitere Gesetzesartikel angewendet, um Homosexuelle strafrechtlich zu verfolgen. Es handelt sich dabei um den Artikel 294, der ‚obszöne Tänze und Lieder‘ unter Strafe stellt sowie Artikel 295, ein Gesetz gegen Blasphemie. Gemäss dem 1990 eingeführten Scharia-Gesetz werden homosexuelle Handlungen mit Peitschenhieben, Haft oder mit dem Tod bestraft.“ geahndet werden. Die eigentliche Unverschämtheit des Bescheids besteht in der zentralen Begründung der Entscheiderin, die sogar Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung ist. Aus ihrer Sicht sei es dem Mann kein inneres Bedürfnis, seine Homosexualität öffentlich auszuleben. Dies begründet sie damit, dass er seine Homosexualität aus Angst auch in Deutschland verbirgt. Einem schwulen Mann den Wunsch nach einem offenen Umgang mit seiner Homosexualität abzusprechen, weil er – während er in einer Flüchtlingssammelunterkunft wohnt und noch nicht weiß, ob er nicht bald nach Pakistan abgeschoben wird – geheim lebt, widerspricht dabei nicht nur jedem gesunden Menschenverstand, sondern selbst den eigenen europarechtswidrigen aber weiterhin geltenden internen Vorgaben des BAMF“, erklärt der LSVD.
„Der Fall ist für uns klar“, sagte der Abendzeitung München zufolge eine Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Kosovo sei ein sicheres Herkunftsland, Minderheiten könnten sich gegen Übergriffe wehren.1S. Anfang: Lesbische Kosovarin: Abgeschoben trotz Morddrohungen der Familie. Abendzeitung, 17.06.2016; http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.lesbische-kosovarin-abgeschoben-trotz-morddrohungen-der-familie.586f5d13-43ce-4acc-a970-30f87df0026c.html. Eine 23-jährige lesbische Geflüchtete war Donnerstag am frühen Morgen von der Polizei aus einem oberbayerischen Frauenhaus geholt und mit einer Sammelabschiebung über Wien in den Kosovo abgeschoben worden. Die Münchener Lesbenberatung LeTRa, die die Abgeschobene beraten und unterstützt hatte, erklärte, dieser drohe dort als lesbischer Frau familiäre Gewalt und Mord.
„Sie flüchtete aus ihrem Heimatland, da sie von ihrem Vater und Bruder aufgrund von ihrer lesbischen Identität zwangsverlobt wurde. Ihr Verlobter vergewaltigte sie über Monate hinweg. Von ihrer Familie wurde sie systematisch kontrolliert und misshandelt. Sie befreite sich aus diesem Gewaltverhältnis und versteckte sich in der Hauptstadt Pristina. Dort wurde sie jedoch von ihren Verwandten immer wieder aufgespürt und ihr Leben bedroht. Ihr gelang die Flucht nach Deutschland.“2PM der Lesbenberatung LeTRa: Geflüchtete Lesbe aus Frauenhaus heraus in Kosovo abgeschoben – Massive Missachtung von Lesben- und Frauenrechten bei Abschiebungen in sogenannte ‚sichere Herkunftsstaaten‘! Konnys Lesbenseiten, 17.06.2016; http://www.lesben.org/gesellschaft/fluechtlinge/14998-gefluechtete-lesbe-aus-kosovo-abgeschoben.html.„„Sichere“ Herkunftsländer für LGBTI+“ weiterlesen
Solidarität mit Lann Hornscheidt, Profess_x für Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität Berlin: In Reaktion auf die trans*-diskriminierenden Äußerungen in Medien, Internet und Universität der letzten Wochen hat sich die Gruppe trans*bashback gegründet, die sich mit diesem offenen Brief gegen jede Trans*-Diskriminierung wendet und mit Lann Hornscheidt solidarisch erklärt. Der Brief kann von Personen/Gruppen unterzeichnet werden, die die darin enthaltenen Positionen unterstützen möchten.
„Wir leben in einer Gesellschaft, in der Geschlecht eine sehr wichtige Kategorie ist, mit der Menschen eingeteilt werden. Die Einteilung in entweder „Mann“ oder „Frau“ ist für viele Menschen stimmig und wird zumeist unhinterfragt als scheinbar naturgegeben hingenommen. „Offener Brief gegen Trans*-Diskriminierung“ weiterlesen
Die African Refugees Union und der International Women Space in Berlin rufen für den 29. März 2014 zu einer Demonstration auf, um gegen die Kriminalisierung lesbischer, schwuler, bi und trans* Menschen in Uganda und Nigeria zu protestieren. Der Aufruf:
ENOUGH is ENOUGH! WE ARE BORN FREE! Freedom of sexual orientation is a human right.
LET US PROTEST TOGETHER AGAINST THE DISCRIMINATION OF LGBTs AT THE UGANDAN AND NIGERIAN EMBASSIES IN BERLIN!
20 Jahre De-facto-Abschaffung des Grundrechts auf Asyl
Der Missbrauchsvorwurf, der zunehmend öffentlicher diskutiert wurde, diente seit dem Ende der Anwerbemigration der Verschlechterung der Bedingungen des Asylverfahrens. Er rechtfertigte im Rahmen von Verfahrens-Novellierungen zahlreiche Restriktionen gegenüber FlüchtlingsmigrantInnen, die entweder in einer Beschleunigung des Verfahrens, der Verkürzung und Reduzierung der Rechtswege und/oder einer Verschlechterung der sozialen Leistungen für Flüchtlinge bestanden. So wurde ab Mitte der 1970er Jahre in Baden-Württemberg der „Tatbestand“ des „offensichtlich in rechtsmissbräuchlicher Absicht“ gestellten Antrags auf ganze Gruppen angewendet. … Ebenso wurde die so genannte Residenzpflicht eingeführt, die die Bewegungsfreiheit von AsylmigrantInnen auf den Landkreis beschränkte. … Der Landkreiseverband Bayern erklärte 1978, dass eine Integration von AsylbewerberInnen durch „bewußt karge lagermäßige Unterbringung zu verhindern [ist]. Sie muß als psychologische Schranke gegen den Zustrom Asylwilliger aufgebaut werden“.1Serhat Karakayali: Gespenster der Migration. Zur Genealogie illegaler Einwanderung in Deutschland. Bielefeld 2008, S. 172.
Am 26. Mai 1993 wurde die Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes im Bundestag beschlossen. Die Formulierung „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ in Absatz 2, die unter dem Eindruck der Verfolgung im Nationalsozialismus aufgenommen worden war, wurde gestrichen bzw. in einen neuen Artikel 16a verlagert. Dieser Artikel legt seitdem fest, dass Deutschland von „sicheren Drittländern“ umgeben ist und Asylantragsteller_innen, die über solche sicheren Drittländer einreisen oder aus einem als sicher geltenden Herkunftsland kommen, kein Asyl erhalten. Das Grundrecht auf Asyl wurde faktisch abgeschafft.