Tödliche patriarchale Strukturen

Femizid in Dortmund-Huckarde: Eine 32-jährige Frau, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitete, wurde letzten Sonntag in Dortmund im Stadteil Huckarde erstochen in ihrem Wohnzimmer gefunden. Die Tante der Frau hatte die Polizei alarmiert, weil sie die Nichte seit Tagen nicht hatte erreichen können, und die Polizei hatte schließlich die Wohnung geöffnet.
Der mittlerweile festgenommene Tatverdächtige ist ihr Ex-Partner, von dem sie sich getrennt hatte, und die Staatsanwaltschaft Dortmund geht davon aus, dass die Trennung das Mordmotiv gewesen ist. Femizide sind in Deutschland vor allem Trennungstötungen.

Den Begriff Femizid führte die Soziologin und Feministin Diana E. H. Russell 1976 auf dem International Tribunal on Crimes against Women in Brüssel ein, das sie mit anderen Feministinnen* (im Wesentlichen der Belgierin Nicole Van de Ven) organisiert hatte. Durch die Benennung sollten tödliche Gewaltverbrechen an Frauen* – ähnlich wie rassistisch motivierte Morde – als Hassverbrechen gekennzeichnet werden, als „extreme Manifestation von männlicher Dominanz und Sexismus“. Mit Femizid bezeichnete Russell insbesondere zwei Ausprägungen von Frauen*morden: erstens „mysogynist killings“, d. h. Tötungen von Frauen* aus Hass und Verachtung, und zweitens Tötungen von Frauen*, weil diese patriarchalen Rollenvorstellungen nicht entsprechen und sich einer männlichen Macht und Kontrolle entziehen.

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Kenia: Tränengas gegen Demonstrierende gegen Femizide

Frauen* aus allen Stadtteilen, aller Religionen und aller Einkommensgruppen (und ein paar solidarische Männer*) seien gekommen, die „Women’s Lives Matter“ riefen, berichtete
eine ZDF-Journalistin1Josefine Rein: Kenia: Tödliches Pflaster für Frauen, zdf, 14.12.2024, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/femizide-kenia-proteste-100.html. über die Proteste in Kenias Hauptstadt Nairobi letzte Woche. Die Demonstration am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, fand innerhalb einer am 25. November begonnenen 16-tägigen Kampagne gegen geschlechtsbezogene Gewalt statt. Nachdem die Kenya National Commission on Human Rights (KNCHR) im November bekannt gegeben hatten, in den letzten drei Monaten seien fast 100 Frauen* ermordet worden, war zu den Aktionen aufgerufen worden.

Die Polizei setzte massiv Tränengas ein, um die Demonstrant*innen auseinanderzutreiben, und schoss nach einer Quelle ebenfalls mit scharfer Munition.2epd: Kenia: Polizei greift Demo gegen Gewalt gegen Frauen massiv an, welt-sichten, 10.10.2014, https://www.welt-sichten.org/nachrichten/43419. Hochgerüstete Einheiten nahmen im Central Business District in Nairobis Innenstadt mehrere der Protestierenden fest, die der Regierung vorwarfen, sie sei „Teil des Problems“, wie es eine Teilnehmerin formulierte.3Rose Troup Buchanan/AFP: Kenyan police tear-gas peaceful anti-femicide march, Modern Ghana, 10.12.2024, https://www.modernghana.com/news/1364594/kenyan-police-tear-gas-peaceful-anti-femicide-marc.html Staat und Gerichte sähen den Morden tatenlos zu, hieß es, und gerade deshalb begehrten die Aktivist*innen auf.

Kenianische Polzei greift Protestierende an
Demonstrierende in Nairobi flüchten vor Tränengaswolken
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Türkei: Proteste gegen Austritt aus Übereinkommen

Die Türkei ist in der Nacht zu letztem Samstag durch Präsidialdekret aus der Istanbul-Konvention (eigentlich: Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) ausgetreten. Nun könnte dieses Abkommen herzlich egal sein, wenn die Realität besser wäre, aber laut der Plattform Wir werden Frauenmorde stoppen‘ (Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu), die sofort zu Protesten aufrief, sind vergangenes Jahr in der Türkei von Männern aus ihrem Umfeld 300 Frauen ermordet worden und weitere 171 Tote unter verdächtigen Umständen aufgefunden worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Mitte 2020 schon von einem Anstieg der Zahl der Femizide zwischen 2015 und 2019 um etwa 60 Prozent im Land berichtet.
Empört über diesen Schritt demonstrierten daher im Laufe des Wochenendes in Istanbul und anderen türkischen Städten Tausende und zeigten dabei Plakate mit Porträts getöteter Frauen* (einige Videos und Bilder von Demonstrationen und Kundgebungen sind auf dem Twitter-Account der Plattform ‚Kadın Cinayetlerini Durduracağız‘ zu finden). Die Proteste werden in den kommenden Tagen fortgesetzt.

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Argentinien: Zehntausende gegen Gewalt gegen Frauen*

Am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen*, demonstrierten allein in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires Zehntausende gegen Gewalt. Teilnehmer_innen des Protests riefen zu einem weltweiten Frauenstreik anlässlich des Internationalen Frauen*tags am 8. März 2017 auf. Bereits am 19. Oktober dieses Jahres streikten in Buenos Aires und in vielen anderen Städten Argentiniens und Lateinamerikas Frauen* für eine Stunde, um gegen Gewalt gegen Frauen* zu protestieren.

Demonstration gegen Gewalt gegen Frauen* am 19. Oktober in Buenos Aires
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Stigma tötet

Nach den Morden an zwei Sexarbeiter_innen, Dora Özer in der Türkei und Petite Jasmine in Schweden, sind letzten Freitag mit Aktionen in über 30 Städten weltweit viele dem Aufruf des ICRSE (Internationales Komitee für die Rechte von Sexarbeiter_innen in Europa) gefolgt, ein Ende von Stigmatisierung, Kriminalisierung und Gewalt zu fordern.

Die Pressemitteilung des ICRSE zu den Morden und den Protesten befindet sich hier  

Zwei Interviews zu den Morden gibt es auf Tits and Sass: The Bloody State Gave Him The Power: A Swedish Sex Worker’s Murder zu Petite Jasmine in Schweden hier   und Both Transphobic and Whorephobic: The Murder of Dora Oezer zu Dora Özer in der Türkei hier  

Eine Zusammenfassung der Proteste auf freitag.de ist hier   „Stigma tötet“ weiterlesen