„Bürgerrecht, Gleichheit und Würde“ war der einer Hauptslogans, die von den Teilnehmer_innen einer Demonstration skandiert wurden, die sich am Samstag, dem 29. Januar, über die Avenue Habib Bourguiba bewegte, einem der Zentren der Proteste in Tunis. Hunderte von Frauen – und Männern – beteiligten sich an der Demonstration, zu der verschiedene Frauenorganisationen aufgerufen hatten.
„Dies ist eine historische Bewegung“, sagte eine der Demonstrant_innen. „Dies ist auch eine Gelegenheit, die Erleichterung und die Freunde auszudrücken, das Ende der Diktatur eines mafiösen Regimes zu feiern, dies ist das Ende der Angst, nachdem wir so viele Jahre des Schreckens erlebt haben!“ Gefordert wurde außer der Verankerung einer vollständigen Gleichheit von Frauen und Männern in einer neuen tunesischen Verfassung ebenfalls ein säkularer Staat – in der Verfassung ist die Religionsfreiheit garantiert, aber auch der Entschluss festgeschrieben, „den Lehren des Islam treu zu bleiben“.
Ebenfalls riefen die Demonstrant_innen dazu auf, bestehende Freiheiten gegen alle Versuche zu verteidigen, sie wieder zu entziehen. Tatsächlich gilt der Code du Statut Personnel, das tunesische Personenstandsgesetz aus dem Jahr 1956, als für die Region ausgesprochen frauenfreundlich. Also seien sie da, um zu erklären, „dass wir nicht bereit sind, über unsere Freiheit mit den Islamisten zu verhandeln“, wie es eine Teilnehmerin ausdrückte. Ein Bericht der Nachrichtenagentur AFP brachte dann auch die Demonstration in Zusammenhang mit der bevorstehenden Rückkehr des Führers der islamistischen Bewegung Ennahda, Rached Ghannouchi, aus seinem britischen Exil nach Tunesien.
Teilnehmer_innen der Demonstration sahen dem allerdings eher gelassen entgegen. „Das sind tunesische Staatsbürger, die die gleichen Rechte wie die anderen haben und in keiner Weise eine Bedrohung darstellen“, sagte etwa Sihem Bensedrine, die als Menschenrechtlerin dem alten Regime ein Dorn im Auge gewesen war, über die islamistische Bewegung. Das Problem, fügte sie hinzu, sei die Polizei, die das Regime aufgebaut habe, es bestehe ihrer Ansicht nach keine islamistische Gefahr.
In der Vergangenheit war eine vermeintliche „islamistische Bedrohung“ vom Regime vielfach instrumentalisiert worden. „Seit Jahren wird im Namen der angeblichen Islamismus- und Terrorbekämpfung und im Namen der Stabilität jede unabhängige Strömung unterdrückt. Wir dürfen keine öffentlichen Versammlungen abhalten, keine öffentlichen Kampagnen veranstalten, wir dürfen keine Texte veröffentlichen“, hatte Saïda Garrach, Generalsekretärin der Association Tunisienne des Femmes Démocrates – eine der Organisationen, die zu der Demonstration aufgerufen hatten – 2006 in einem Interview erklärt, in dem sie ebenfalls auf die „Kumpanei der europäischen Regierungen“ mit dem tunesischen Regime hinwies, „weil man die Migranten aus Afrika zurückdrängen will. Die Lösung europäischer Sicherheitsfragen wird den Regimen vor Ort aufgedrückt. Bei der EU denkt man offenbar: Solange sie uns helfen, unsere wirtschaftlichen Interessen wahren, schauen wir in Bezug auf die Menschenrechte einfach weg.“
Weiße Luftballons sowie Transparente und Schilder mit Slogans, die Freiheit, Gleichheit, und Laizismus herausstellten, prägten das Bild der Demonstration, an deren Rand es allerdings zu einem Störungsversuch durch eine Gruppe kam, der die Parolen der Teilnehmer_innen offenbar nicht passten.
Quellen: Aufruf; Agence Tunis Afrique Presse, 29.01.2011; Meldung der Nachrichtenagentur AFP, 29.01.2011; Interview mit Saida Garrache: Zwischen Autoritarismus und Islamismus; Femmes iraniennes solidaires des femmes tunisiennes (Foto); Videos: Tunis–Marche des femmes und Tunisie–Femmes citoyennes.