Diesen und nächsten Samstag soll in Ägypten über den 234 Artikel langen Verfassungsentwurf abgestimmt werden. Weil sich viele der Richter weigerten, die das Referendum flächendeckend überwachen sollen, wird es in zwei Phasen abgehalten werden. Die feministische Gruppe Baheya Ya Masr ruft dazu auf, als Zeichen eines Neins zu dem Entwurf bei der Stimmabgabe Rot zu tragen. Sie erklärte, der Verfassungsentwurf enthalte „mehrere ‚Zeitbomben’ für Frauen und Kinder“, meldete die Zeitung Bikya Masr.
Zwar waren die Prinzipien der Scharia schon in der letzten Verfassung als Hauptquelle des Rechts festgeschrieben. Neu ist allerdings, dass die Gelehrten der al-Azhar-Universität – als höchste Instanz des sunnitischen Islams – bei Fragen des islamischen Rechts konsultiert werden sollen. Ein weiterer kritisierter Artikel sieht vor, dass Staat und Gesellschaft darauf hinarbeiten sollen, „die genuine Natur der ägyptischen Familie und ihre moralischen Werte zu wahren“. Manal al-Taibi, eine der wenigen Frauen*, die Mitglied der 100-köpfigen verfassungsgebenden Versammlung waren, hat (wie eine Reihe anderer Mitglieder aus verschiedenen Gründen) bereits vor einiger Zeit ihr Mandat aufgegeben. Sie sagte, die Forderung nach der Senkung des Heiratsalters auf 14 Jahre – das nun nicht mehr wie vorher in der Verfassung festgelegt ist – sei Förderung von Kinderehen und ähnle einer Vergewaltigung.
Das Egyptian Center For Women’s Rights (ECWR) forderte seinerseits die Wiedereinführung des Artikels 68, der in der vorherigen Verfassung die Gleichberechtigung von Mann und Frau garantierte. Zwar enthielt der Entwurf für das neue Grundgesetz zeitweilig einen Artikel, der die Verpflichtung des Staates beinhaltete, die Gleichheit von Frauen in allen Bereichen zu garantieren – aber mit dem Zusatz „ohne dass die Grundsätze des islamischen Rechts verletzt werden“. Nach Protesten dagegen bestand der Kompromiss schließlich darin, diesen Artikel vollkommen zu streichen.
Sowohl die Organisation Nazra for Feminist Studies als auch Baheya Ya Masr in ihrer Erklärung bemängelten, dass die Verfassung keine wirtschaftlichen und sozialen Rechte garantiere. In den vergangenen Wochen sind bei Demonstrationen gegen die Abstimmung und Auseinandersetzungen mindestens acht Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Dennoch wird davon ausgegangen, dass sich die Muslimbrüder als die bestorganisierteste Kraft Ägyptens durchsetzen werden und der Verfassungsentwurf bei dem Referendum angenommen werden wird.