„Die Welt hat die Frauen von Afghanistan vergessen. Niemand redet über diese Frauen. Niemand schenkt ihren Stimmen die nötige Aufmerksamkeit“, erklärte die mittlerweile in Dänemark lebende Khalida Popal, Mitbegründerin und frühere Kapitänin des afghanischen Frauen-Fußballteams im Juli in einem Interview.1Frank Hellmann (Interview mit Khalida Popal): „Die Welt hat die Frauen von Afghanistan vergessen“, Frankfurter Rundschau, 03.07.2025, https://www.fr.de/politik/khalida-popal-die-welt-hat-die-frauen-von-afghanistan-vergessen-93816555.html.
Was sie befürchtet, käme den Wünschen der Bundesregierung zweifellos entgegen: Wenn die Afghan*innen vollständig vergessen wären. Aber nach Lage der Dinge bringen sie sich gelegentlich (auch) selbst in Erinnerung und gerade erst richteten etwa 200 Personen mit Aufnahmezusagen für Deutschland aus einem Versteck in Kabul einen offenen Brief an Bundeskanzler Merz2Offener Brief an den Kanzler: Hilferuf aus Afghanistan (taz/dpa), die tageszeitung, 02.09.2025, https://taz.de/Bedrohte-Afghanen-fordern-von-Merz-Einreise-nach-Deutschland/!6107865/; Ursula Rüssmann: Schutzsuchende abgeschoben: Hilferufe aus Kabul, Frankfurter Rundschau, 05.09.2025, https://www.fr.de/politik/kabul-schutzsuchende-abgeschoben-hilferufe-aus-93913904.html., nachdem sie im August nach teils jahrelangem Warten auf ein deutsches Visum aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben worden waren. „Unser Leben ist täglich bedroht“, schrieben sie. Ungefähr zeitgleich wandten sich afghanische Frauen aus dem Aufnahmeprogramm „von Frauen zu Frau“ an die deutsche Botschafterin in Pakistan3Martin Stökefeld: Brief an Botschafterin in Pakistan: Von Frauen zu Frau, die tageszeitung, 03.09.2025, https://taz.de/Brief-an-Botschafterin-in-Pakistan/!6107985/.. In ihrem Brief berichteten sie zudem über Gewalt in den pakistanischen Abschiebelagern.
Nachdem die frühere Ampelregierung die versprochenen Aufnahmen gefährdeter Afghan*innen – unter anderem Feministinnen*, Menschenrechtler*innen, Journalist*innen… oder ehemalige Ortskräfte deutscher Organisationen und deren Familienangehörige – hartnäckig verschleppt hatte, war das Programm im Mai von der Merz-Regierung endgültig auf Eis gelegt worden. Einreisen konnten inzwischen einige dennoch, nach Klagen vor Gerichten und letztlich der gerichtlichen Androhung eines Zwangsgelds gegen das Auswärtige Amt.4Unter anderem: Flüchtlinge: Gericht droht Regierung im Visa-Streit mit Zwangsgeld (dpa), Tagesspiegel, 21.08.2025, https://www.tagesspiegel.de/politik/fluchtlinge-gericht-droht-regierung-im-visa-streit-mit-zwangsgeld-14207774.html; Nach Klagen zu Aufnahmezusagen: Regierung lässt einige Afghanen aus Pakistan einreisen, Tagesschau, 26.08.2025, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afghanen-visa-einreise-100.html. Zugleich wird trotz der katastrophalen Bedingungen5Abschiebung nach Afghanistan trotz bekannter Menschenrechtsverletzungen vor Ort (wj, nb), Pro Asyl, 23.07.2025, https://www.proasyl.de/news/abschiebung-nach-afghanistan-trotz-bekannter-menschenrechtsverletzungen-vor-ort/; IPS (aus Sicherheitsgründen ungenannte afghanische Journalistin): No Progress Without Women’s Freedom, Inter Press Service, 08.09.2025, https://www.ipsnews.net/2025/09/no-progress-without-womens-freedom/. für zukünftige Abschiebungen nach Afghanistan die Zusammenarbeit mit den Taliban geplant; erstmals seit 2021 durften kürzlich Konsularmitarbeiter der islamistischen Regierung eingereisen6Bund lässt Mitarbeiter der Taliban-Regierung nach Deutschland (DIE ZEIT, dpa, edd, svj), DIE ZEIT, 21.07.2025, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-07/afghanistan-taliban-abschiebungen-konsular. – während emanzipativ eingestellten Menschen das Kommen verweigert wird (die Taliban werden wissen, was sie davon halten sollen).
Eine der mutigen afghanischen Frauen* mit Träumen von anderen Verhältnissen war Fußballkapitänin Khalida Popal, die wegen Morddrohungen flüchten musste und der es nach der Taliban-Machtübernahme vor vier Jahren mit viel Engagement gelang, Ausreisen aus dem Land – hauptsächlich nach Australien – für die Spielerinnen* zu organisieren. Heute setzt sie sich im Exil für ihre Mitspielerinnen* und Afghanistans Frauen* ein. „„Vergesst Afghanistan nicht!““ weiterlesen