„Das ist kein gerechtes Urteil“

Ende April, einen Tag vor Ablauf der Frist, hat das Oberlandesgericht München endlich die schriftliche Urteilsbegründung zum NSU-Prozess herausgegeben. Das Gericht hat also die verfügbare Zeit von beinahe zwei Jahren, die es für die Fertigstellung des Urteils hatte, voll ausgeschöpft. Aber trotz der 3025 Seiten, die das Urteil nun umfasst, sind eine wirkliche Aufklärung und Antworten auf die Fragen der Angehörigen der Ermordeten – etwa zu der Rolle des Verfassungsschutzes, den Gründen für die Auswahl der Opfer oder weitergehenden NSU-Vernetzungen, unter anderem in Dortmund – in dem Verfahren ausgeblieben.

Demonstration der Angehörigen
Demonstration zur Urteilsverkündung 2018 in München (Foto: Kein Schlussstrich)

Elif Kubaşık, Witwe des am 4. April 2006 in Dortmund in seinem Kiosk an der Mallinckrothstraße vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, hat zu der schriftlichen Begründung des Oberlandesgerichts eine Erklärung mit dem Titel „Das ist kein gerechtes Urteil“ veröffentlicht. Hier ist sie:

Das ist kein gerechtes Urteil

Immer wieder bin ich nach München ins Gericht gekommen, ich habe als Zeugin ausgesagt, obwohl es mir unendlich schwerfiel. Aber ich schuldete dies Mehmet. Für ihn, für uns, für unsere Kinder habe ich gekämpft.

Ich hatte so viele Fragen: Wie konnte eine bewaffnete Gruppe über Jahre hinweg faschistische Morde und Anschläge in Deutschland begehen? Warum wurden sie nicht gestoppt? Was wusste der Staat davon? Bevor Mehmet ermordet wurde, hatten sie schon sieben andere Menschen umgebracht.

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4. April: Erinnern an die Opfer des „NSU“

Am 4. April 2006 wurde Mehmet Kubaşik, Kioskbesitzer in der Dortmunder Nordstadt, von den Neonazi-Killern „Nationalsozialistischer Untergrund“ in seinem Geschäft erschossen. Dieser Mord jährt sich in diesem Jahr zum zehnten Mal und am 4. April beginnt an der Mallinckrodtstraße 190 um 17.30 Uhr eine Demonstration mit folgender Kundgebung zum Gedenken an die Opfer des NSU-Terrors.

Seit über einem Jahr gibt es im Landtag Nordrhein-Westfalens einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“. Am 13. Januar dieses Jahres begann der NRW-Untersuchungsausschuss, sich mit dem Mord in Dortmund zu beschäftigen. Elif und Gamze Kubaşik, die Ehefrau und die Tochter von Mehmet Kubaşik, schilderten an dem Tag den Ausschussmitgliedern die Verdächtigungen und pauschalisierenden Zuschreibungen, die den Getöteten und sie selbst über Jahre zu Täter_innen machten und stigmatisierten. Man habe ihnen jahrelang das Leben genommen, sagte Gamze Kubaşik, – das sei Polizei gewesen (Berichte über die Ausschusssitzung finden sich hier oder hier oder hier). „4. April: Erinnern an die Opfer des „NSU““ weiterlesen